In der Bronzezeit erlebten unsere Vorfahren einen enormen Kulturschub. Plötzlich änderten sie ihre Handwerkstechniken, entdeckten die Kernfamilie und das Eigentum für sich und bestatteten ihre Toten auf neuartige Weise. Was aber war der Auslöser für diese Revolution im Europa der Bronzezeit? Und welche Rolle spielen dabei die Reiternomaden der eurasischen Steppe?
Schon länger ist klar, dass die Geschichte Europas von gleich mehreren Wellen der Einwanderung geprägt ist. Erst kam vor rund 45.000 Jahren der Homo sapiens, dann brachten Bauern aus dem Mittelmeerraum die Landwirtschaft mit. Doch in den letzten Jahren hat sich eine weitere, dritte Migrationswelle als entscheidend für die Geschichte Europas herauskristallisiert: Ein Einstrom der Jamnaja – halbnomadischer Viehzüchter aus den Steppen des Ostens. In welchem Ausmaß diese Steppenreiter unsere Kultur, aber auch unser Erbgut geprägt haben, tritt inzwischen immer deutlicher zutage.
Der große Wandel
Kulturschub in der Bronzezeit
Jahrtausendelang tat sich wenig in der Lebensweise unserer Vorfahren: Nachdem vor gut 8000 Jahren die ersten Bauern aus dem Mittelmeerraum eingewandert waren, wurden die ursprünglichen Jäger und Sammler immer weiter zurückgedrängt, die Landwirtschaft wurde zur Lebensgrundlage der jungsteinzeitlichen Mitteleuropäer.
Die Menschen lebten in dörflichen Gemeinschaften, bauten Emmer, Einkorn, sowie Erbsen und Linsen auf gemeinschaftlich bewirtschafteten Feldern an und begruben ihre Toten in Einzelgräbern auf Friedhöfen außerhalb des Dorfes. Auch erste Nutztiere wie Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen hielten die Angehörigen der sogenannten Linearbandkeramik bereits, diese Tiere spielten aber noch eine eher geringe Rolle für die Nahrungsversorgung.
Alles wird anders
Doch vor rund 5.000 Jahren wandelt sich das Bild: „Wir sehen nun plötzlich Einzelhöfe von Familien statt der Gemeinschaftsdörfer“, berichtet Kristian Kristiansen von der Universität Göteborg. „Es entsteht eine sehr viel individualistischere Kultur, die um Kernfamilien organisiert ist.“ Gleichzeitig beginnen die jungsteinzeitlichen Bauern nun, vermehrt Rinder zu halten und züchten. Die Milch und das Fleisch ihres Viehs nehmen einen größeren Anteil in ihrem Speiseplan ein. Typisch für die sogenannte Schnurkeramik-Kultur sind zudem Tongefäße, denen in den feuchten Ton eingedrückte Schnüre ein charakteristisches Muster verleihen.
Und noch etwas ändert sich: „Man sieht eine Veränderung in den Begräbnisritualen“, erklärt Kristiansen. Statt in den zuvor üblichen Einzelgräbern werden die Toten nun immer häufiger in Grabhügeln bestattet, in denen Eltern und Kinder gemeinsam liegen. Die Toten in diesen Hügelgräbern liegen in Hockstellung in einer zentralen, oft von Holzbalken getragenen Kammer und sind oft mit Ocker bestäubt.
Auffallende Ähnlichkeiten
Was aber brachte diesen Wandel mit sich? Sind es einfach nur Weiterentwicklungen innerhalb der bestehenden Kulturen oder gibt es möglicherweise äußere Einflüsse? Tatsächlich machen vor allem die neuen Grabhügel einige Archäologen stutzig: Sie gleichen in ihrer Anlage und Form auffallend denen der Jamnaja – einer in der Bronzezeit in der eurasischen Steppe verbreiteten Kultur von halbnomadischen Viehzüchtern.
Die Jamnaja sind ursprünglich in den weiten Steppen nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres heimisch. Auf der Suche nach Weidegründen für ihre Herden ziehen sie in von Rindern und Pferden gezogenen Karren über das Land und dringen in der frühen Bronzezeit bis ins Donautal und das östliche Mitteleuropa vor.
Könnten diese Steppennomaden die Urheber des bronzezeitlichen Kulturwandels in Europa gewesen sein? Während einige Archäologen dies durchaus für wahrscheinlich halten, bleibt diese Hypothese zunächst stark umstritten. Doch das hat sich inzwischen geändert.
Die dritte Welle
Gene verraten Herkunft unserer Vorfahren
In den letzten zehn Jahren haben moderne Biotechnologien auch unsere Sicht auf die Vergangenheit dramatisch verändert. Denn neue Methoden erlauben es nun, selbst aus Jahrtausende alten Knochen und anderen menschlichen Überresten noch Erbgut zu gewinnen und zu analysieren. Dies eröffnet völlig neue – und oft überraschende – Einblicke in das Leben und die Welt unserer Vorfahren.
Spurensuche im Genom
Dies gilt auch für die Frage, wer oder was den großen kulturellen Wandel vor rund 5.000 Jahren in Europa auslöste. „Wir wollten verstehen, wie diese enormen wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen zustande kamen, die sich zu Beginn des dritten Jahrtausends vor Christus vom Ural bis nach Skandinavien ausbreiteten“, erklärt Eske Willerslev von der Universität Kopenhagen.
Für ihre Studie analysierten Willerslev und sein Team genetisches Material von 101 menschlichen Überresten aus Europa und Vorderasien. Das Alter der Gebeine reichte von etwa 6000 bis 900 vor Christus und umspannte damit auch die Umbruchszeit vor rund 5.000 Jahren. Parallel dazu führten Forscher um David Reich von der Harvard University ähnliche Studien durch.
Abrupter Genaustausch
Das überraschende Ergebnis: Vor rund 5.000 Jahren wandelte sich nicht nur die Kultur in Mitteleuropa, sondern auch die genetische Zusammensetzung der Bevölkerung – das belegen beide Studien. „Wir waren erstaunt, wie stark und schnell dieser genetische Wandel zwischen der neolithischen und der Schnurkeramik-Kultur war“, sagt Willerslev. Während zuvor eine Mischung von DNA der alten Jäger und Sammler und der aus dem Mittelmeerraum stammenden Urzeitbauern vorherrschte, dominierten nun plötzlich ganz andere Gene.
„Rund 75 Prozent der DNA der Schnurkeramiker in Deutschland lässt sich auf die Jamnaja zurückführen“, berichten Reich und sein Team. Und weiter nördlich, in Großbritannien, war der Wechsel sogar noch dramatischer: Vor rund 4.5000 Jahren wurde dort die heimische Bevölkerung, zu denen auch die Erbauer von Stonehenge gehören, zu fast 90 Prozent von neueinwandernden Populationen ersetzt, wie die DNA-Analysen enthüllten. Innerhalb weniger hundert Jahre lösen die aus den Steppenreitern hervorgegangenen Angehörigen der Glockenbecherkultur die alte Bevölkerung ab.
„Eine Geschichte der Migration“
„Diese Ergebnisse werden viele Menschen erschüttern“, sagt Barry Cunliffe von der University of Oxford. „Selbst für uns Archäologen ist dies absolut überwältigend. Denn einen so
hohen Anteil von Steppennomaden-DNA hätten wir uns zuvor selbst in unseren kühnsten Träumen nicht vorstellen können.“ Sein Kollege Kristian Kristiansen von der Universität Göteborg ergänzt: „Das ist bahnbrechend. Die gesamte Geschichte muss nun umgeschrieben werden – zu einer Geschichte der Mobilität und Migration.“
Der Blick in die Gene bestätigt damit, dass die Vorgeschichte der Europäer drei großen Migrationswellen geprägt wurde. Den Anfang machte vor rund 45.000 Jahren der Homo sapiens, der aus Afrika nach Europa einwanderte und dort den seit hunderttausenden Jahren etablierten Neandertaler ablöste. Die zweite Welle folgte vor rund 8.000 Jahren, als Einwanderer aus dem Mittelmeerraum die Kulturtechnik der Landwirtschaft nach Europa brachten und damit die neolithische Revolution auslösten.
Die dritte große Welle war der Vorstoß der Jamnaja aus den eurasischen Steppengebieten vor rund 5.000 Jahren. Der Einstrom dieser Steppennomaden führte zu einem großen Wandel in den etablierten Kulturen Europas und gab den Anstoß zu vielen Neuerungen, die das Leben unserer Vorfahren für immer veränderten.
Seuchen, Kampf und frische Milch
Was machte die Steppennomaden so erfolgreich?
Doch auch wenn nun klar ist, dass eine bronzezeitliche Kultur von Steppennomaden das Leben unserer Vorfahren für immer veränderte, bleibt eine Frage offen: Wie gelang es diesen Neuankömmlingen aus der Steppe, sich so radikal gegen die ortsansässigen Bauern durchzusetzen? Wie schafften sie es, die heimische Bevölkerung sowohl kulturell als auch genetisch so stark zu beeinflussen?
Bringer der Pest?
Einer der Gründe könnten eingeschleppte Seuchen gewesen sein. Denn etwa um die Zeit der Jamnaja-Einwanderung sank die Bevölkerungsdichte unter den jungsteinzeitlichen Bauern in Mitteleuropa deutlich, wie Genstudien belegen. Die Steppennomaden fanden demnach große Landstriche vor, die fast verwaist waren – und konnten sich dort ungehindert niederlassen.
Gleichzeitig fanden die Forscher bei der DNA-Analyse der Jamnaja-Einwanderer Hinweise auf eine Infektion mit der Pest. Nähere Analysen deuten darauf hin, dass der Erreger dieser Seuche damals unter den Bewohner der eurasischen Steppe grassierte. Als diese dann nach Mitteleuropa kamen, trafen sie auf eine Population, deren Immunsystem kaum Abwehrkräfte gegen diesen neuen Erreger hatte.
„Die Seuchendynamik könnte ähnlich gewesen sein wie bei der europäischen Eroberung der Neuen Welt nach Kolumbus“, erklärt Kristian Kristiansen von der Universität Göteborg. „Die Jamnaja könnten die Pest nach Europa gebracht und damit einen massiven Populationskollaps ausgelöst haben.“
Jungmänner auf der Suche nach einer Existenz
Ein weiterer Grund für den Erfolg der Steppennomaden könnte die Zusammensetzung der Neuankömmlinge gewesen sein: Während die ersten Bauern meist mitsamt ihrer Familien in die neuen Gebiete aufbrachen, waren es bei den Jamnaja vorwiegend Gruppen junger Männer, die nach neuen Weidegründen in Europa suchten. Den DNA-Analysen, aber auch archäologischen Funden zufolge kamen unter diesen Neuankömmlingen auf zehn Jamnaja-Männer nur eine Frau.
„Diese große Dominanz der Männer lässt sich durch die alte indoeuropäische Tradition der Kriegerbanden erklären“, sagt Kristiansen. „Diese bestanden aus jungen Männern, die kein Erbe zu erwarten hatten und daher eher dazu motiviert waren, ihr Glück anderswo zu suchen.“ Als diese Gruppen dann im jungsteinzeitlichen Mitteleuropa die Chance auf eine neue Existenz fanden, ergriffen sie sie. Sie wurden Teil der jungsteinzeitlichen Gemeinschaften, suchten sich Frauen unter der einheimischen Bevölkerung und gründeten Familien.
Wie effektiv sie dabei waren, belegt eine weitere DNA-Studie. Denn sie weist nach, dass zwei Drittel der europäischen Männer von nur einer Handvoll Urvätern abstammen – höchstwahrscheinlich den Jamnaja-Männern. Tatsächlich könnten die Steppennomaden für die Frauen der heimischen Bevölkerung attraktive Partner gewesen sein: Sie waren groß und gesund, besaßen bessere Waffen, schnelle Pferde und brachten viele hilfreiche Kulturtechniken mit – darunter Pferdewagen, Erfahrungen in der Viehzucht und der Milchverarbeitung.
Laktosetoleranz als genetisches Mitbringsel
Und noch etwas brachten die Jamnaja mit: die Fähigkeit, den Milchzucker Laktose abzubauen. Weil Milch und Käse bei den Steppennomaden schon lange ein wichtiger Teil der Ernährung waren, hatte bei ihnen eine genetische Selektion zugunsten der Laktosetoleranz stattgefunden. Die meisten Jamnaja besaßen daher die Gene, die die Produktion des milchzuckerabauenden Enzyms Laktase ermöglichten. Und als die Jamnaja nach Mitteleuropa kamen und sich dort mit den heimischen Bauern mischten, gaben sie diese Gene weiter.
„Zuvor war die gängige Ansicht, dass sich die Laktosetoleranz im Nahen Osten oder auf dem Balkan entwickelt hat – in Verbindung mit dem Aufkommen der Landwirtschaft“, erklärt Martin Sikora von der Universität Kopenhagen. „Aber jetzt sehen wir, dass die Mutation dafür selbst in der Bronzezeit in Europa noch sehr selten war.“ Die Forscher vermuten daher, dass die genetische Basis für diese Fähigkeit erst mit den Jamnaja nach Europa kam und sich dann allmählich ausbreitete.
Die vierte Wurzel
Woher kamen die Jamnaja?
Woher kamen die Jamnaja, das Volk von Steppennomaden, denen die Europäer einen großen Teil ihres genetischen und kulturellen Erbes verdanken? Klar scheint, dass diese Steppennomaden keine Asiaten waren, sondern eher kaukasischer Herkunft. Obwohl sie bis nach Zentralasien verbreitet waren, unterschieden sie sich rein äußerlich kaum von den Europäern. Aber wo lagen ihre Ursprünge?
„Die Frage, woher die Jamnaja kommen, war bisher ein Rätsel“, erklärt Andrea Manica von der University of Cambridge. Ein Teil ihrer genetischen Wurzeln lässt sich auf die „Westlichen Jäger und Sammler“ zurückführen – die Gruppe mittelsteinzeitlicher Populationen, die einst von Spanien bis zum Ural verbreitet war. Doch der Rest des Jamnaja-Erbguts passte in keine der bekannten Volksgruppen. „Die Jamnaja besaßen eine große genetische Komponente, die wir nicht zuordnen konnten“, sagt Manica.
Vorfahren aus dem Kaukasus
Im Jahr 2015 jedoch kamen den Forschern zwei Fossilfunde aus Georgien zu Hilfe – ein 13.000 Jahre alter Schädel und ein 10.000 Jahre alter Menschenzahn. Als Manica und sein Team die DNA dieser Funde analysierten, entdeckten sie Überraschendes: Diese Steinzeitmenschen schienen keiner der bisher bekannten Jäger-und-Sammler-Gruppen anzugehören – besaßen aber auffallende Übereinstimmungen mit dem Erbgut der Jamnaja.
Offenbar hatten sich Angehörige dieser Volksgruppe aus dem Kaukasus einst mit den Vorfahren der Jamnaja vermischt und so ihre Gene in deren Erbgut hinterlassen. „Damit bildet diese Steinzeit-Population aus dem Kaukasus den vierten Hauptstrang der europäischen Ahnenreihe“, sagt Manica. „Durch die Jamnaja hat diese urzeitliche Gruppe zu den meisten modernen Populationen Europas beigetragen, vor allem im nördlichen Teil des Kontinents.“
Sie kamen bis nach Indien
Und noch ein Rätsel könnte die während der gesamten letzten Eiszeit im Kaukasus isolierte Population lösen: Woher der europäische Genanteil in der nordindischen Bevölkerung stammt. Denn wie die genetischen Vergleichsdaten enthüllten, gehen deren europäische DNA-Anteile ebenfalls auf dieses Kaukasus-Volk zurück. Die Menschen dieser Population müssen demnach irgendwann nach der Eiszeit sowohl in die eurasische Steppe als auch nach Osten Richtung Asien gezogen sein.
Das wiederum wirft ein ganz neues Licht auf ein weiteres wichtiges Erbe der Vergangenheit – unsere Sprachen.
Das Rätsel unserer Sprache
Woher kommt die Indoeuropäische Sprachfamilie?
Ob Deutsch, Italienisch, Griechisch oder Urdu und Sanskrit – all diese Sprachen haben eine Gemeinsamkeit: Trotz ihrer Verbindung mit ganz unterschiedlichen Kulturen gehören sie alle zur großen Sprachfamilie des Indoeuropäischen. Sie besitzen eine gemeinsame Wurzel, die bis in die Anfänge der Bronzezeit und darüber hinaus reicht.
Gemeinsamkeiten auch mit Persisch und Sanskrit
Bei einigen indoeuropäischen Sprachen ist die gemeinsame Herkunft relativ leicht erkennbar: Vor allem das Englische, Deutsche, Niederländische und auch Skandinavische nutzen viele ähnliche Wörter. Doch auch bei den romanischen Sprachen wie dem Italienischen, Französischen oder Spanischen gibt es verwandte Begriffe – dazu gehören beispielsweise die Bezeichnungen für enge Familienangehörige wie Bruder, Schwester, Mutter und Vater, aber auch die meisten Zahlwörter und viele Personalpronomen.
Aber wie sieht es mit Urdu, Sanskrit oder dem Iranischen aus? Bei diesen im mittleren Osten und in Asien gesprochenen Sprachen finden sich auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten mit den europäischen Sprachen. Doch das täuscht. Selbst in Indien, im Iran oder in Bangladesch haben die Menschen einige Wörter genutzt, die uns bekannt vorkommen dürften: Der „Bruder “ ist im Altindischen „Bhrater“, im Altiranischen ein „Bratar“. Das „Knie“ ist im Altindischen ein „Janu“ und damit dem französichen „Genu“ auffallend ähnlich, im Altiranischen ist es ein „Zanu“.
Ist Indien die Wiege unserer Sprachen?
Diese Gemeinsamkeiten fielen schon Ende des 16. Jahrhunderts einem florentinischen Kaufmann auf, der über die Seidenstraße nach Persien und bis nach Indien reiste. Auch andere Gelehrte erkannten bald diese Parallelen und kamen zu dem Schluss, dass es eine gemeinsame Ursprache gegeben haben müsse – die indoeuropäische Ursprache. Doch wo hatte diese Ursprache ihren Ursprung? Und auf welchem Wege breitete sie sich aus?
Lange galt Indien als Wiege der indoeuropäischen Sprache, denn dort vermutete man die ältesten Wurzeln. Inzwischen jedoch haben die Genstudien der Archäologen kombiniert mit neuen Methoden der Linguistik ein neues Licht auf die Herkunft unserer Sprachen geworfen. Denn die neuen Erkenntnisse zu den Migrationswellen der Jungsteinzeit und Bronzezeit legen nahe, dass mit diesen Neuankömmlingen auch neue Sprachen nach Europa kamen.
Ursprung in Anatolien?
Aber mit welchen? Brachten die jungsteinzeitlichen Bauern aus Anatolien die indoeuropäische Sprache zu uns oder die später eintreffenden Steppennomaden? Die Antwort ist bisher strittig – und Studien haben widersprüchliche Ergebnisse erbracht.
Argumente für eine jungsteinzeitlich-anatolische Wurzel der indoeuropäischen Sprachen lieferte 2012 eine Studie von Quentin Atkinson von der University of Auckland. In ihr analysierten die Forscher 6.000 sogenannte Kognate aus insgesamt 103 ausgestorbenen und noch existierenden indoeuropäischen Sprachen. Kognate sind Wörter, die aus einem gemeinsamen Ursprungsbegriff entstanden sind und die es so erlauben, einen Stammbaum der Sprachen zu rekonstruieren.
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die indoeuropäischen Sprachen ihren gemeinsamen Ursprung vor 8.000 bis 9.000 Jahren im heutigen Anatolien haben müssen. Allerdings berücksichtigten sie für ihre Analyse ausschließlich Wörter, nicht aber Sprachstruktur, Grammatik und andere Sprachmerkmale, wie andere Linguisten kritisieren. Auch archäologische Funde bezogen Atkinson und sein Team nicht mit ein.
…oder doch in der eurasischen Steppe?
Demgegenüber stehen mehrere Studien, die eher für einen Steppen-Ursprung der indoeuropäischen Sprachen sprechen – sowohl auf linguistischer als auch auf genetischer Basis. So ergab eine ebenfalls mithilfe von Kognaten durchgeführte Rekonstruktion des Sprachstammbaums durch Linguisten um Will Chang von der University of California in Berkeley, dass die indoeuropäische Ursprache erst rund 6.000 Jahre alt ist – zu jung für eine Einführung mit den ersten Bauern.
Angesichts der neuen Erkenntnisse zu den Jamnaja und ihren Wurzeln könnte die Wiege der indoeuropäischen Sprache nach Ansicht vieler Forscher im Kaukasus und den benachbarten Steppengebieten gelegen haben. Als dann die Vorfahren der Jamnaja sich nach Westen und Osten ausbreiteten, brachten sie Varianten dieser Ursprache nach Europa, aber auch in den Mittleren Osten und nach Indien.
Allerdings: Eindeutig geklärt ist das Rätsel um unsere Ursprache noch immer nicht – wie die Verfechter beider Hypothesen einräumen. Ob demnach die Steppennomaden uns einst die indoeuropäische Sprache mitbrachten oder schon vorher die jungsteinzeitlichen Bauern, bleibt vorerst im Dunkel der Frühgeschichte verborgen.