Influenza-Virus H5N2 erstmals bei antarktischen Raubmöwen nachgewiesen
Akute Bedrohung: Das hochpathogene Vogelgrippe-Virus H5N1 hat nun auch die Antarktis erreicht – und gefährdet damit die gesamte antarktische Vogelwelt. Eine Infektion mit diesem aggressiven H5N1-Stamm verläuft bei Wildvögeln zu fast 100 Prozent tödlich. Jetzt haben Biologen diese Influenza-Variante erstmals bei Raubmöwen auf einer antarktischen Insel nachgewiesen. Die Biologen vermuten, dass der Erreger durch aus Südamerika heimkehrende Zugvögel eingeschleppt wurde.
Das Influenza-Virus sorgt nicht nur für alljährliche Grippewellen beim Menschen – auch unter Vögeln grassieren zahlreiche Grippeviren. Viele von ihnen sind harmlos, doch vor allem in Asien entstehen durch die Massentierhaltung von Geflügel immer wieder hochpathogene Vogelgrippe-Mutanten. Eine solche für Vogel zu fast 100 Prozent tödliche H5N1-Variante hat sich seit 2021 von Asien aus weltweit ausgebreitet. Inzwischen sind daran bereits Millionen Wildvögel verendet. Auch Säugetiere, darunter vor allem Meeressäuger wie Robben und Seelöwen haben sich in Massen infiziert und verendeten.
„Die aktuelle Welle der Vogelgrippe H5N1 ist beispiellos in ihrer rasanten Ausbreitung und der extrem hohen Frequenz von Ausbrüchen in Geflügel und Wildvögeln“, warnte bereits Anfang 2022 die Weltgesundheitsorganisation WHO. Im Oktober 2022 erreichte die hochpathogene H5N1-Vogelgrippe erstmals auch Südamerika und breitete sich innerhalb von drei Monaten bis zur Spitze von Feuerland aus. „Seit Ankunft in Südamerika sind allein in Peru mehr als 500.000 Seevögel an H5N1 gestorben, darunter vor allem Pelikane, Tölpel, Kormorane und Pinguine“, berichteten Meagan Dewar vom Antarctic Wildlife Health Network und ihre Kollegen im Sommer 2023.
Erste Fälle auf Bird Island entdeckt
Jetzt hat dieses tödliche Vogelgrippe-Virus auch den letzten Kontinent erreicht – die Antarktis. Im Oktober 2023 haben Biologen des British Antarctic Survey (BAS) die hochpathogene Variante von H5N1 erstmals bei Vögeln auf der antarktischen Insel Bird Island nachgewiesen. Mehrere Braune Skuas (Stercorarius antarcticus), eine subantarktische Raubmöwenart, wurden positiv auf H5N1 getestet.
„Das sind die ersten bekannten Fälle in der Antarktis-Region“, so das British Antarctic Survey. Bird Island gehört zu Südgeorgien, einer Inselgruppe, die vor der Spitze der westantarktischen Halbinsel im Südatlantik liegt. Auf diesen Inseln leben viele Kolonien subantarktischer und antarktischer Seevögel sowie Meeressäuger. „Die Präsenz des hochpathogenen Influenza-Virus auf diesen Inseln könnte schwerwiegende Folgen für die hiesigen Seevogelkolonien haben“, warnt das BAS.
Einschleppung über wandernde Vogelarten
Die Biologen vermuten, dass das H5N1-Virus über zurückkehrende Zugvögel eingeschleppt wurde. Denn viele antarktische Vogelarten halten sich im Polarwinter auf den Falklandinseln und im Südteil von Südamerika auf. „Arten wie die Dominikanermöwe oder die Braunen Skuas wechseln zwischen Südamerika und der antarktischen Halbinsel hin und her und gelten daher schon länger als wichtige Vektoren für die Einschleppung der hochpathogenen Vogelgrippe in die Antarktisregion“, erklären Dewar und ihr Team.
Die Entdeckung der ersten H5N1-Fälle auf Bird Island wecken nun Befürchtungen, dass sich das Vogelgrippe-Virus schnell auch auf andere antarktische Inseln und die Westantarktis ausbreiten könnte. „Hochmobile Seevogelarten und Jungvögel, die zwischen den Kolonien wechseln, werden die Hauptverbreiter des Virus sein“, so Dewar und ihre Kollegen. Dazu gehören neben den Möwen auch antarktische Albatrosse und Pinguine. „Bei Arten wie dem Schwarzbrauen-Albatross wechseln zehn bis 30 Prozent der subadulten Population täglich zwischen Kolonien hin und her“, so die Forschenden.
Akute Gefahr für Vögel und Meeressäuger der Antarktis
Es könnte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis sich das tödliche H5N1-Virus auch auf andere Teile der Antarktis ausbreitet. Für Vögel und Meeressäuger des Südkontinents ist dies eine akute und tödliche Gefahr. „Unseren Analysen zufolge sind Möwen und Raubmöwen am stärksten gefährdet, gefolgt von Greifvögeln, Seeschwalben und anderen Regenpfeiferartigen“, berichten Dewar und ihr Team. In Südamerika sind zudem bereits tausende Pinguine an der Vogelgrippe verendet. Daher sind auch die antarktischen Pinguinkolonien in Gefahr.
Auch für die Säugetiere der südpolaren Breiten ist das H5N1-Virus eine akute Bedrohung. „Auch wenn H5N1 in erster Linie ein Vogelgrippe-Virus ist, wurden während der aktuellen Pandemie auch einige Säugetiere infiziert“, erklären die Wissenschaftler. „Oft ereignet sich die Übertragung, wenn Fleisch- und Aasfresser infizierte Vögel oder ihre Kadaver fressen.“ Aber auch Meeressäuger können sich infizieren – über welchen Weg ist noch unklar. Bis August 2023 starben allein in Peru knapp 10.000 Seelöwen an H5N1, weitere Todesfälle gab es bei Seebären, Seeelefanten und Küstenottern.
Biosicherheitsmaßnahmen und verstärkte Überwachung
Die Biologen des British Antarctic Survey und des Antarctic Wildlife Health Network werden nun die Lage in Südgeorgien und der Westantarktis weiter engmaschig überwachen. Als weitere Vorsichtsmaßnahme wurde der größte Teil der sonstigen biologischen Feldarbeit eingestellt – alle Studien, für die Tiere angefasst oder transportiert werden müssen, wurden gestoppt, wie der British Antarctic Survey berichtet. Zudem gelten in Südgeorgien erhöhte Biosicherheitsmaßnahmen für alle Polarforschenden.
Quelle: British Antarctic Survey, SCAR Risk Assessment Report September 2023 (PDF)