Erster Nachweis der Hämoglobin-Bildung in der Oberhaut legt wichtige Schutzfunktion nahe
Überraschende Entdeckung: Der rote Blutfarbstoff Hämoglobin wird offenbar nicht nur im Knochenmark oder den inneren Organen produziert – auch unsere Haut stellt dieses Molekül her, wie Forschende entdeckt haben. Demnach erzeugen die Keratin-Zellen der Oberhaut und der Haarfollikel den roten Blutfarbstoff – je näher sie der Hautoberfläche sind, desto intensiver läuft diese Hämoglobin-Produktion. Das Team vermutet, dass dies dem Schutz vor Zellstress durch aggressive Sauerstoffradikale dient.
Unsere Haut ist die wichtigste Schutzbarriere unseres Körpers – und gleichzeitig seine größte Kontaktfläche zur Umwelt. Deshalb muss sie einerseits durchlässig sein, andererseits aber gut gegen äußere Einflüsse wie Strahlung, Gifte oder Bakterien schützen. Dafür sorgt unter anderem die raffinierte Konstruktion unserer Oberhaut: Ihre Zellen, die Keratinozyten, werden ständig neu gebildet und wandern von der Basalschicht nach außen. Dabei verhornen sie, flachen ab und bilden schließlich ganz außen eine Schutzhülle aus toten Zellen.
Was passiert in den reifenden Hautzellen?
Doch während ihres 30 bis 40 Tage dauernden Lebenszyklus sind die Hautzellen nicht untätig: Im Laufe ihrer Reifung passen sich die Keratinozyten genetisch an die wachsende Belastung durch Umwelteinflüsse an. Während sie in Richtung Hautoberfläche wandern, werden in ihnen verschiedene Gene aktiv, die sie vor Strahlung und anderen schädlichen Einflüssen schützen sollen. Welche Gene dies jedoch genau sind und welche Funktion sie haben, ist jedoch bisher erst in Teilen geklärt.
An diesem Punkt setzt die Studie von Umi Tahara vom Zentrum für Integrative Medizin in Yokohama und seinen Kollegen an. Sie haben Hautproben aus dem Oberarm und Oberschenkel von drei Menschen auf ihre Genaktivität hin untersucht. Dafür analysierten sie, welche RNA in den Hautzellen der oberen Epidermis vorhanden war – und konnten so ermitteln, welche Gene in diesen Keratinozyten gerade aktiv abgelesen wurden.
Oberhaut produziert den Blutfarbstoff Hämoglobin
Das überraschende Ergebnis: „Wir haben entdeckt, dass Gene für die Hämoglobin-Produktion im oberen Teil der Epidermis hochgradig aktiv waren“, berichten die Forschenden. In den Keratinozyten der oberen Hautschichten findet demnach eine intensive Produktion von Hämoglobin A statt – dem Proteinkomplex, aus dem der größte Teil unseres roten Blutfarbstoffs besteht. Normalerweise wird das aus vier Protein-Untereinheiten und einem Eisen-Ion bestehende Hämoglobin bei der Blutbildung im Knochenmark gebildet, in geringerem Maße wurde dieses Molekül aber auch schon in anderen Geweben des Körpers nachgewiesen.
Völlig neu ist dagegen die menschliche Haut als Ort der Hämoglobin-Produktion: Eine Bildung dieses Proteinkomplexes in der Epidermis wurde noch nie zuvor beobachtet – bis jetzt, wie die Wissenschaftler erklären. Das Hämoglobin-A wird ihren Analysen zufolge sowohl in den reifen Keratinozyten der Oberhaut gebildet als auch in den Keratinozyten der Haarfollikel. Ergänzende Untersuchungen mit Mäusehaut ergaben zudem, dass dies offenbar nur für die Epidermis der äußeren Hautpartien gilt: In der Haut der Mundhöhle, Speiseröhre und anderer Epidermis-überzogener Organe fehlt das Hämoglobin.
Hämoglobin schützt Hautzellen vor oxidativem Stress
Aber welchen Zweck hat dieses vor allem als Gastransporteur bekannte Protein in unserer Haut? „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass das Hämoglobin die Hautzellen vor oxidativem Stress bewahrt“, erklärt Seniorautor Masayuki Amagai von der Keio Universität in Tokio. Dieser Zellstress entsteht, wenn Moleküle in der Haut durch UV-Strahlung aufgespalten werden und freie Radikale entstehen – hochreaktive Sauerstoffverbindungen, die die Zellfunktion stören und Zellschäden verursachen können.
Das in der Haut entdeckte Hämoglobin hilft offenbar dabei, diese Zellschäden zu vermeiden: In ergänzenden Tests zeigte sich, dass die Hämoglobin-Produktion in den Hautzellen zunimmt, wenn die Haut mit UV-Licht bestrahlt wird. „Bei oxidativem Stress regulierten die Epidermiszellen ihre Hämoglobin-Bildung hoch“, berichtet Amagai. Der mögliche Grund dafür: Weil der Blutfarbstoff Sauerstoff binden kann, nimmt er auch schädliche Sauerstoffradikale auf und verringert so den oxidativen Stress für die Zelle.
Gastransporteur und Antioxidans zugleich
Damit ist das Hämoglobin nicht nur ein Gastransporteur in unserem Blut – der Blutfarbstoff wirkt auch als Antioxidans. In unserer Oberhaut fängt er reaktive Sauerstoffverbindungen ein und bewahrt die Hautzellen so vor Schäden. Die Fähigkeit zur Hämoglobin-Produktion ist damit wahrscheinlich ein wichtiger Teil der Schutzfunktion unserer Haut. „Die Bildung des Hämoglobins durch die Keratinozyten repräsentiert damit einen endogenen Verteidigungsmechanismus gegen Hautalterung und Krebs“, sagt Amagai.
Ob das Hämoglobin auch in der Haut in Form von vier miteinander verbundenen Untereinheiten vorliegt wie in den roten Blutkörperchen, ist allerdings noch unklar. Ebenfalls noch geklärt werden muss, ob Gendefekte bei Erbkrankheiten wie Sichelzellanämie oder Thalassämie auch diese Schutzfunktion des Hämoglobins in der Haut beeinträchtigen. (Journal of Investigative Dermatology, 2023; doi: 10.1016/j.jid.2023.08.008)
Quelle: Elsevier