In Flaschen verkauftes Wasser enthält mehr kleine, potenziell schädliche Plastikpartikel als gedacht
Unsichtbare Kontamination: Wer Tafel- oder Mineralwasser trinkt, nimmt nicht nur Mikroplastik auf, sondern auch reichlich potenziell schädliches Nanoplastik, wie neue Analysen enthüllen. Demnach kann das in PET-Flaschen verkaufte Wasser mehr als 200.000 solcher bis zu einem Mikrometer kleinen Kunststoffteilchen pro Liter enthalten. Das Problem daran: Anders als größeres Mikroplastik dringt dieses Nanoplastik tief in Gewebe und Organe ein und kann Zellen schädigen. Es gilt daher als potenziell gesundheitsschädlich, war aber bislang kaum nachweisbar.
Mikroplastik ist längst überall: Wir nehmen es mit der Luft, unserer Nahrung und dem Trinkwasser auf und bringen es so in unseren Körper. Hier können vor allem die kleinsten Plastikpartikel bis in unsere Organe, Gewebe und Zellen eindringen – sogar im Gehirn wurden sie schon nachgewiesen. Noch ist unklar, welche Gesundheitsfolgen dies hat. Erste Studien legen aber nahe, dass das Mikroplastik Entzündungen fördern, das Immunsystem stören und Zellen schädigen kann.
„Dabei gilt das Nanoplastik als besonders toxisch, weil seine geringere Größe es ihm erleichtert, tief in den menschlichen Körper einzudringen“, erklären Naixin Qian von der Columbia University in New York und ihre Kollegen. Als Nanoplastik gelten Teilchen von weniger einem Mikrometer Durchmesser. Das Problem jedoch: Bisherige Nachweismethoden können Nanoplastik zwar in manchen Fällen detektieren, aber nicht feststellen, um was es sich handelt. Auch die genaue Zahl der Partikel ließ sich meist nicht feststellen.
Verräterische Schwingungen
Doch Qian und ihr Team haben nun eine Methode entwickelt, die diese unerkannte Kontamination erstmals nachweisen und quantitativ erfassen kann. Dafür analysierten sie zunächst Nanopartikel bekannter Zusammensetzung und Zahl mithilfe der stimulierten Raman-Streuungs-Mikroskopie (SRS). Bei diesem Verfahren regen zwei Laser die Bindungen in den Kunststoffen zum Schwingen an, dadurch entstehen Streuungsspektren des Lichts, die anhand der Zahl und Art der Bindungen die Art des Plastiks verraten.
Diese Referenzdaten nutzten die Forschenden, um einen lernfähigen Algorithmus auf die Erkennung von Nanopartikeln aus sieben gängigen Kunststoffen zu trainieren: Polyamid, Polypropylen, Polyethylen, Polystyrol, Polyvinylchlorid (PVC), Polyethylen-Terephtalat (PET) und Polymethyl-Methacrylat (PMMA). Für die eigentliche Studie untersuchten Qian und ihre Kollegen Proben aus dem in PET-Flaschen verkauften Tafelwasser von drei verschiedenen in den USA gängigen Herstellern und nutzten den Algorithmus, um Art und Menge des enthaltenen Nanoplastiks auszuwerten.
Mehr als 200.000 Nanoplastik-Partikel pro Liter
Die Analysen enthüllten: Neben vielen größeren Mikroplastikpartikeln enthielt das Flaschenwasser im Schnitt mehr als 200.000 Nanoplastik-Partikel pro Liter. „Das ist zehn bis hundertmal mehr als nach früheren, primär auf größere Mikropartikel ausgerichteten Schätzungen“, berichten die Forschenden. „Das mit gängigen Methoden bisher unsichtbare Nanoplastik macht im Schnitt sogar rund 90 Prozent der insgesamt detektierten Plastikteilchen aus.“ Bezogen auf die Masse hat das Nanoplastik wenigen seiner geringen Größe aber nur einen geringen Anteil an der gesamten Plastikkontamination des Wassers.
Überraschend jedoch: Anders als erwartet waren PET-Partikel in den meisten Proben nicht die dominierende Kunststoffsorte – obwohl die Wasserflaschen aus PET bestanden. Stattdessen machte Polyamid den Löwenanteil des Nanoplastiks im Tafelwasser aus. Das Team vermutet, dass dieser Kunststoff – ironischerweise – durch die Wasseraufbereitung und Filterung ins Tafelwasser gelangt. Denn dies geschieht unter anderem mithilfe von Plastikmembranen. Auch andere Plastiksorten wie Polystyrol könnten durch diese Aufbereitung ins Wasser gelangt sein.
Wahres Ausmaß noch größer
Doch was aber bedeutet diese Nanoplastik-Funde für unsere Gesundheit? „Je kleiner diese Partikel sind, desto besser können sie in uns hinein gelangen“, erklärt Seniorautor Wei Min von der Columbia University. Daher halten es die Wissenschaftler für sehr wahrscheinlich, dass gerade das Nanoplastik in Trinkwasser, Getränken und Nahrungsmitteln die schädlichsten Effekte hat. „Angesichts der Fähigkeit dieser Nanoplastikpartikel, biologische Barrieren zu durchdringen, könnten sie eine entscheidende Rolle für die Toxizitäts-Bewertung spielen“, so das Team.
Allerdings ist das wahre Ausmaß der Nanoplastik-Kontamination noch lange nicht vollständig erfasst. Denn auch mithilfe der neuen Methodik konnten Qian und ihre Kollegen nur rund zehn Prozent der mittels Mikroskopie entdeckten Nanoteilchen klar als Kunststoffpartikel identifizieren. Sie vermuten aber, dass auch ein Großteil der restlichen 90 Prozent im Tafelwasser schwimmenden Nanoteilchen aus Nanoplastik bestehen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2300582121)
Quelle: Columbia University