Weltuntergangsuhr steht weiterhin so nah an Mitternacht wie nie zuvor
Prekäre Weltlage: Die Weltuntergangsuhr bleibt auch in diesem Jahr auf bedrohlichen 90 Sekunden vor Zwölf – einem Rekordstand für die Doomsday Clock. Sie zeigt damit die akute Bedrohung der Menschheit durch die aktuellen Kriege sowie atomare Waffen an, aber auch durch den Klimawandel, das Artensterben und die Künstliche Intelligenz. Dringendes Handeln sei nötig, um die Gefahr für die Weltwieder zu verringern, so das Wissenschaftler-Komitee des „Bulletin of the Atomic Scientists“.
Seit 1947 bewertet das von Albert Einstein, Robert Oppenheimer und anderen Physikern gegründete „Bulletin of the Atomic Scientists“ (BAS) jährlich die Gefährdungslage der Menschheit und drückt die Bedrohung als Zeigerstand auf der „Weltuntergangs-Uhr“ aus. Sie zeigt an, wie nah die Menschheit daran ist, sich durch Konflikte, Waffen und andere menschengemachte Technologien zu zerstören. 2020 und 2021 stand die Doomsday Clock auf 100 Sekunden vor Zwölf, 2023 wurde sie erstmals in ihrer Geschichte auf 90 Sekunden vor Zwölf vorgestellt.
„Wie die Titanic“
Jetzt hat das Uhrenkomitee den Zeigerstand für 2024 vorgestellt – und er gibt wenig Anlass zu Entwarnung. Denn auch in diesem Jahr bleiben die Zeiger der Weltuntergangsuhr auf 90 Sekunden vor Zwölf. „Verstehen Sie uns nicht falsch: Das Belassen der Zeiger auf dieser Stellung ist kein Zeichen dafür, dass die Welt stabil ist – ganz im Gegenteil“, betont Rachel Bronson, Präsidentin des Bulletins. Noch immer steht die Doomsday Clock damit näher an Mitternacht, als sie es vor 2023 jemals war.
Noch immer seien die bedrohlichen Trends nicht gebrochen, die die Welt immer näher an den Untergang zu treiben drohen, konstatieren die Mitglieder des Komitees. Wie bei der Titanic steuere die Welt in Richtung Katastrophe. „Seit Jahrzehnten warnt uns die Wissenschaft vor den Gefahren für die Menschheit“, sagt der US-Wissenschaftskommunikator Bill Nye, der in diesem Jahr zum Uhrenkomitee gehörte. „Wir bewegen uns auf eine Katastrophe zu, wenn wir die von uns geschaffenen Technologien nicht besser kontrollieren.“
Kriege und nukleare Eskalation
Ein Grund für die düstere Einstufung der Weltlage sind laut Bulletin die aktuellen Kriege und Konflikte, vor allem in der Ukraine und im Nahen Osten, verbunden mit einer wachsenden Eskalation auch auf nuklearer Ebene. „China, Russland und die USA geben enorme Summen dafür aus, ihre Atomwaffen-Arsenale auszubauen und zu modernisieren“, heißt es im Statement. Der Iran arbeitet daran, Uran für eine atomare Aufrüstung anzureichern und Nordkorea, Indien und Pakistan bauen ihr Arsenal ebenfalls immer weiter aus.
Hinzu kommen Drohgebärden vor allem seitens Nordkorea und Russland. Putin kündigte bereits Anfang 2023 das New-Start-Atomabkommen auf und plant, taktische Atomwaffen auch in Belarus zu stationieren. Im Sommer plädierte ein Berater Putins öffentlich für begrenzte Atomangriffe auf Westeuropa, um den Ukrainekrieg voranzubringen. Doch auch China und andere Großmächte haben ihre Rhetorik verschärft. Sollte zudem Donald Trump im November 2024 die US-Wahl gewonnen, erhöhe dies die Bedrohung noch weiter.
„Nur die Großmächte wie China, USA und Russland können uns vor einer weiteren Eskalation bewahren. Trotz verhärteter Fronten müssen sie kooperieren – oder wir sind verloren“, betont Jerry Brown, Vorsitzender des Bulletin.
Künstliche Intelligenz und Gentechnik
Einen weiteren Grund für Besorgnis sieht das Uhrenkomitee in neuen Technologien wie der Künstlichen Intelligenz, aber auch KI-gestützten Biotechnologien. „Es ist klar, dass die KI eine disruptive Technologie ist, die das Potenzial für enorme Veränderungen hat“, so das Bulletin. Der Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz wie den Großen Sprachmodellen kann einerseits die Desinformation – beispielsweise in der Politik – vervielfachen.
Andererseits erleichtern es solche KI-Systeme auch, potenziell gefährliche Technologien zu entwickeln – sei es im militärischen Bereich oder in der Gentechnologie. Die Sorge sei, dass die KI es auch Einzelnen ohne entsprechendes Knowhow ermögliche, biologische Waffen zu produzieren und einzusetzen, die zur Gefahr für Mensch und Umwelt werden, erklärt das Komitee. „Bisher machen die Regierungen nur unzureichende Anstrengungen, diese Technologien zu kontrollieren“, sagt Bronson.
Klimawandel und Wetterextreme
Wie schon in den letzten Jahren sieht das Komitee auch den Klimawandel als akute Gefahr für die Menschheit. „2023 erlebte die Welt das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und starke Überflutungen, Waldbrände und andere klimabedingte Katastrophen haben Millionen Menschen in der ganzen Welt getroffen“, heißt es im Statement. Trotz durchaus massiver Investitionen in erneuerbare Energien und klimafreundlichere Technologien reichten die Klimaschutzbemühungen nicht aus.
Insgesamt appellieren die Wissenschaftler des Bulletin vor allem an die Großmächte, den Bedrohungen entschiedener entgegenzutreten als bisher. „Diese Gefahren, einzeln und in ihrer Gesamtheit, sind so groß und umfassend, dass sie keine Nation und keine Regierung alleine unter Kontrolle bringen kann“, so das Uhrenkomitee. Nur gemeinsam können die globalen Bedrohungen abgewendet werden.
Quelle: Bulletin of the Atomic Scientists