Als die Mauren Spanien eroberten, erreichten sie um 700 auch die von den Westgoten gegründete Stadt Reccopolis. Jetzt enthüllen geomagnetische Messungen in den Ruinen dieser Stadt, dass die islamischen Eroberer dort eine der ältesten Moscheen Europas gebaut haben könnten. Die Daten zeigen zudem, dass Reccopolis in ihrer Blütezeit erheblich größer und fortgeschrittener war als bislang angenommen.
Die Zeit der Völkerwanderung beendete die Ära der Antike und veränderte die politische und kulturelle Landschaft Europas entscheidend. Verschiedene Germanenstämme brachen die Vorherrschaft des Römischen Reichs und gründeten in Südeuropa, in Nordafrika und auf der Iberischen Halbinsel neue Königreiche. Eines davon war das Reich der Westgoten, die unter ihrem König Leovigild im sechsten Jahrhundert weite Teile des heutigen Spanien und Portugal beherrschten.
Im Jahr 578 gründete der Westgotenkönig an den Ufern des Tagus-Flusses in Zentralspanien eine ganz neue Stadt – Reccopolis. „Reccopolis ist die einzige archäologisch verifizierte Stadt, die von germanischen Neuankömmlingen während der schwierigen soziopolitischen Bedingungen Mitte bis Ende des 6. Jh. auf römischem Boden gegründet worden ist“, erklären Joachim Henning von der Goethe-Universität Frankfurt und seine Kollegen. Bei Ausgrabungen in Reccopolis stießen Archäologen schon Mitte des 20. Jahrhunderts auf Reste eines Palasts, einer Kirche und einiger Werkstätten.
Überraschend dichte Bebauung
„Aber trotz der archäologischen Untersuchungen blieben bisher Zweifel hinsichtlich der Größe und Bedeutung von Reccopolis bestehen“, sagen die Forscher. Henning und seine Kollegen haben daher nun die Gegend um die bisherigen Funde in Reccopolis mithilfe modernster Technik neu kartiert. Sie nutzten Messungen der geomagnetischen Eigenschaften des Untergrunds, um noch unter der Oberfläche verborgene Relikte von Gebäuden und Straßen sowohl innerhalb als auch außerhalb der ehemaligen Stadtmauern der Westgotenstadt sichtbar zu machen.
Die geomagnetische Kartierung enthüllte: Reccopolis war vor rund 1400 Jahren bedeutend größer und dichter bebaut als bisher angenommen. „Die Kartierung hat ein dichtes urbanes Gewebe enthüllt“, berichten Henning und sein Team. „Überall, wo wir mit unserer Kartierung hinkamen, fanden wir Gebäude, Straßen und Passagen.“ So erwiesen sich vermeintlich leere Flächen innerhalb der Stadtmauern als einst dicht mit Gebäuden bebaut und von Straßen durchzogen. Zudem zeigten die neuen Daten die Existenz weiterer königlicher Palastgebäude im Stadtzentrum. Außerhalb der Stadtmauern von Reccopolis entdeckten die Archäologen einen ganzen Vorort.
Eine maurische Moschee in der Westgotenstadt?
Besonders spannend aber könnte ein Gebäude sein, dessen Relikte die Wissenschaftler im Stadtinneren entdeckten. Es handelt sich um ein sehr großes Bauwerk, dessen Ausrichtung auffallend von dem der umliegenden Gebäude abweicht. Wie Henning und sein Team berichten, ist dieses Bauwerk nach Osten Richtung Mekka ausgerichtet und sein Grundriss ähnelt dem von Moscheen im Nahen Osten. Nach Ansicht der Forscher könnte es sich demnach um eine Moschee handeln, die kurz vor dem Niedergang der Stadt von den Mauren erbaut wurde.
„Dies könnte eine der potenziell ältesten Moscheen der Iberischen Halbinsel sein“, konstatieren die Archäologen. Denn die Mauren erreichten die Stadt Reccopolis bereits im Jahr 711 im Rahmen der islamischen Eroberung Spaniens und besetzten sie knapp ein Jahrhundert lang. Um 800 herum wurde die Stadt dann endgültig aufgegeben und verfiel. Die Moschee von Reccopolis müsste demnach vor der Aufgabe der Stadt errichtet worden sein. Ob es sich bei den auffallenden Gebäuderesten jedoch tatsächlich um eine maurische Moschee handelt, müssen künftige Ausgrabungen erst noch bestätigen, betonen Henning und sein Team.
Klar sei aber schon jetzt, dass diese Stadt der Westgoten größer und fortgeschrittener war als bislang angenommen. „Reccopolis ist ein außergewöhnliches Beispiel für den frühmittelalterlichen Urbanismus und eine Herausforderung für unsere bisherigen Vorstellungen der urbanen Entwicklung im Europa des sechsten Jahrhunderts“, konstatieren die Forscher.