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Streit um König David

Streit um König David

Biblischer Mythos oder historische Figur?

König David ist eine der bekanntesten Figuren der Bibel und sogar der Koran berichtet von seinen Heldentaten. Doch gab es den legendären Sieger über den Riesen Goliath, den berühmten ersten König Israels überhaupt? Bis heute ist die Existenz von König David und seinem Reich unter Archäologen stark umstritten.

So ausführlich die biblischen Berichte über den Aufstieg und die Herrschaft des Königs David sind, so spärlich sind nicht-biblische Belege für seine Existenz. Und die wenigen Funde, die Archäologen bisher aus der Zeit Davids um 1000 vor Christus gemacht haben, sind alles andere als eindeutig – und hoch umstritten. Was also weiß die Wissenschaft über den Hirtenjungen, der König wurde und sein Reich?

Die Vorgeschichte

Von Kanaan bis Israel

Wir schreiben die Zeit um 1200 vor Christus – eine Zeit des Umbruchs für den Nahen Osten und den gesamten östlichen Mittelmeerraum. Denn die großen Reiche der Bronzezeit – die Mykener, Hethiter und auch die Ägypter, sind im Niedergang begriffen.

Der Nahe Osten zur Zeit der Seevölker und deren Angriffe (Pfeile).© Alexikoua/ CC-by-sa 3.0

Die Seevölker bringen den Umbruch

Ein Klimawechsel hat die Gebiete rund um das Mittelmeer trockener und kühler werden lassen, Ernteausfälle sind die Folge. Gleichzeitig dringen aus dem Osten die geheimnisvollen „Seevölker“ vor und erobern nach und nach immer mehr Küstengebiete. Woher diese von mehreren ägyptischen Pharaonen in ihren Aufzeichnungen erwähnten Krieger stammen, ist bis heute rätselhaft und stark umstritten.

Viele Archäologen vermuten jedoch, dass die „Seevölker“ auf Halbnomaden aus dem Balkan und dem südöstlichen Europa zurückgehen. Ausgelöst durch den Klimawechsel könnten sie damals gemeinsam mit Gruppen aus Anatolien und der Ägäis weit nach Westen und Süden vorgedrungen sein.

Kanaan zerfällt

Auch die Stadtstaaten Kanaans auf dem Gebiet des heutigen Israel und Libanon sind von diesem Wandel getroffen: Lange waren sie Vasallen Ägyptens, jetzt werden viele ihrer Königsstädte zerstört und Ländereien von Angehörigen der Seevölker besetzt. Viele Bewohner des alten Kanaan fliehen und vermischen sich teilweise mit Flüchtlingen aus dem Gebiet der Hethiter, die von Norden her in die Levante einwandern.

Die fünf Städte der Philister.© Ekuah/ CC-by-sa 3.0

Als Folge ist Kanaan im elften Jahrhundert vor Christus ein komplexes Gemisch vieler kleinerer Völker und Regionalherrscher. Im Süden haben die Philister – wahrscheinlich Nachkommen der Seevölker – einen Fünf-Städtebund gegründet, zu dem unter anderem die Küstenstädte Gaza, Aschkelon und Aschdod gehören. Auf sie geht bis heute die Bezeichnung Palästina zurück. Östlich des Philistergebiets, jenseits des Toten Meeres, siedeln die Moabiter, wovon auch ägyptische Überlieferungen zeugen. Beide Völker werden im Alten Testament der Bibel als Gegenspieler Israels erwähnt.

Und die Israeliten?

In dieser Umbruchszeit liegen auch die Wurzeln der Israeliten, des Volks, dem der biblische König David angehört haben soll. Woher diese Volksgruppe allerdings kam und ob und wann sie begann, sich zu einem Königreich zusammenzuschließen, ist stark umstritten. Wo die Bibel vom „Einzug ins gelobte Land“ spricht, sehen Archäologen eher die Ansiedlung versprengter und aus ihren Städten vertriebener Kanaaniter, vermischt mit Flüchtlingen anderer Volksgruppen im Jordantal und dem umgebenden Hügelland.

Stele des Pharao Merenptah. Auf ihr soll Israel erwähnt sein.© Webscribe/ CC-by-sa 3.0

Die älteste Erwähnung der Israeliten stammt von einer Toten-Stele des ägyptischen Pharaos Merenptah, datiert auf 1208 vor Christus. Auf ihr berichtet ein Hieroglyphentext von den Feldzügen des Pharaos – und auch über einen Sieg über eine Volksgruppe namens Jsrjr – Israel. Sie wird allerdings im Gegensatz zu anderen besiegten Gegnern nicht mit der Hieroglyphe für Stadt oder Staat gekennzeichnet, sondern mit Symbolen, die eher für eine Menschengruppe stehen.

Zu dieser Zeit war Israel daher vermutlich kaum mehr als eine Ansammlung von Bauerndörfern und Flüchtlingssiedlungen im Südwesten des heutigen Westjordanlands. „Dann begann ein langsamer Prozess, in dessen Verlauf sich die Israeliten von ihren kanaanitischen Vorfahren und Traditionen lösten“, erklärt William Dever, ehemals Professor für Archäologe an der University of Arizona. „Sie entwickelten eine neue Gottheit, neue religiöse Gesetze und Gebräuche – neue ethnische Marker, wie wir heute sagen würden.“

Vom Hirten zum König

Der David der Bibel

Die Berichte von David und seinen Erlebnissen gehören zu den bekanntesten Geschichten der Bibel. Der Hirtenjunge, der zum König Israels wurde, kommt nicht nur in mehreren Büchern des Alten Testaments vor, er findet sich sogar im Koran. In gleich drei Weltreligionen – Judentum, Christentum und Islam – gehört König David damit zum etablierten Figurenkanon. Doch wer war diese Person?

Darstellung des Hirtenjungen David in einer modernen Bibel-Illustration. © historisch

Ein Hirtenjunge am Königshof

Den biblischen Berichten nach wird David als jüngster Sohn des Isai in Bethlehem geboren. Während einige seiner älteren Brüder am Hof des Königs von Juda Dienst tun, hütet David die Schafe seines Vaters und vertreibt sich die Zeit mit Harfenspielen und Singen. Dann aber bekommt sein Leben eine völlig neue Wendung: Der König von Juda, Saul, sucht nach jemandem, der ihm durch Musik und Ablenkung seine häufigen Anflüge von Schwermut vertreibt.

Die Bibel berichtet: „Einer der jungen Männer antwortete: Ich kenne einen Sohn des Bethlehemiters Isai, der zu spielen versteht. Und er ist tapfer und ein guter Krieger, wortgewandt, von schöner Gestalt und der Herr ist mit ihm.“ David wird an den Hof geholt und erwirbt durch seine Musik die Gunst des Königs Saul. Später wird er – zumindest einer Erzählung nach – auch als Soldat und Waffenträger eingesetzt.

David enthauptet den Riesen Goliath. Fresko von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle © historisch

David gegen Goliath

Es folgt das wahrscheinlich berühmteste Duell der Bibel – der Kampf von David gegen Goliath. Dieser wird auch im Koran erwähnt. Auslöser ist ein Showdown im anhaltenden Konflikt der Judäer mit den benachbarten Philistern. Die Armeen beider Reiche stehen sich gegenüber, als ein schwerbewaffneter Hüne aus den Reihe der Philister tritt: Goliath aus Gat. Er fordert die Judäer zum Zweikampf heraus. Nachdem sich zunächst keiner traut, meldet sich David freiwillig.

Ohne Rüstung, Helm oder Schwert tritt David dem schwerbewaffneten Goliath gegenüber, in der Hand nur eine Steinschleuder und in der Tasche ein paar Steine. Noch bevor Goliath angreifen kann, schießt er ihm einen Stein an den Kopf und der Hüne fällt. Der Überlieferung nach enthauptet David daraufhin seinen bewusstlosen Gegner und die Armee Sauls nutzt den Schock der Philister, um diese in die Flucht zu schlagen.

Vom Söldner zum König

Der biblischen Erzählung nach kommt es dann zum Zerwürfnis zwischen Saul und David: Der König fürchtet die Konkurrenz des jungen und beliebten Kriegshelden und David muss fliehen. In der Folgezeit wird er zum Söldner, der auch nicht davor zurückschreckt, für die Moabiter und sogar die Philister zu kämpfen – gegen Juda, seine alte Heimat. Gleichzeitig nutzt David diese Zeit, um Allianzen zu schmieden und sich als potenzieller Anführer ins Gespräch zu bringen.

David als König mit seiner Harfe, aus einem mittelalterlichen Psalmenbuch. © historisch

Das zahlt sich aus: Nachdem Saul von den Philistern getötet wird, ist für David der Weg frei: Er lässt sich mit Unterstützung der Philister zum König von Juda krönen – zunächst als Vasall der siegreichen Nachbarn. Doch durch geschickte Bündnispolitik und erfolgreiche Feldzüge gegen die Stämme im Norden Judas wächst die Macht Davids. Er erobert Jerusalem und macht sie zu seiner neuen Residenz. Wenig später lässt sich David zum König von ganz Israel krönen.

Aus dem Hirtenjungen ist damit der erste Herrscher eines geeinten Israel geworden – so jedenfalls besagt es die Überlieferung. Das Reich Israel soll unter der Herrschaft der Könige David und Salomon immerhin rund 100 Jahre bestanden haben, bis es dann in zwei Hälften zerfiel. Doch was ist dran an diesem Szenario? Hat es um etwa 1000 vor Christus tatsächlich einen König David im Nahen Osten gegeben? Und ein Reich Israel, das von der Sinai-Halbinsel bis ins heutige Syrien reichte?

Fund in Ruinen

Die Stele von Tel Dan und das Haus Davids

War König David eine historische Gestalt oder doch nur eine Legende, eine Symbolfigur? Bis heute gibt es auf diese Frage keine eindeutige Antwort. „Die Archäologie kann die Geschichten weder beweisen noch widerlegen“, erklärt der US-Archäologe William Dever.

Mangel an Beweisen

Das Problem: Obwohl Archäologen inzwischen tausende von historischen Inschriften und Dokumenten im Nahen Osten gefunden haben, klafft ausgerechnet bei den Zeugnissen aus der Zeit Davids eine Lücke. Ägypten war zu sehr damit beschäftigt, sich von Kämpfen mit den Seevölkern zu erholen. Für Mesopotamien sprechen Forscher sogar von einer „dunklen Ära“, weil aus dieser Zeit kaum Zeugnisse erhalten sind.

Bis vor rund 15 Jahren gab es daher keinerlei Belege für die Existenz Davids oder seines Reichs. „Keine Inschrift erwähnt ihn. Keine archäologische Entdeckung kann mit Sicherheit mit ihm in Verbindung gebracht werden“, brachte es der US-Archäologe Kyle McCarter damals auf den Punkt. „Die Bibel ist unsere einzige Informationsquelle über David – und die Suche nach einem historischen David pure Exegese.“

Die Stele von Tel Dan könnte einen Verweis auf das „Haus Davids“ tragen.© &

Die Stele von Tel Dan

Doch im Jahr 1993 machten Archäologen einen aufsehenerregenden Fund: Bei Ausgrabungen in den Ruinen von Tel Dan im Norden Israels bemerkte eine Forscherin an einem Mauerstein schwache Spuren von Schriftzeichen. Nähere Untersuchungen enthüllten mehrere Fragmente einer Basaltstele, in die ein längerer Text in aramäischer Schrift eingraviert worden war. Die Inschrift stammt aus dem neunten Jahrhundert – und damit aus einer Zeit kurz nach der möglichen Herrschaftszeit König Davids.

In dem Text berichtet ein König von Aram, einem damals im Norden der Stadt Dan liegenden Gebiet, von Siegen über seine Feinde. Die Sensation aber verbirgt sich in der neunten Zeile. Dort steht der Ausdruck ביתדוד – übertragen in lateinische Schrift „bjtdwd“. Diese Buchstabenkombination interpretieren die meisten Forscher als „beit David“ – vom Haus Davids. Es ist die erste bekannte Erwähnung dieses Namens als Urheber eines „Hauses“ und damit einer Stammesgruppe oder Dynastie.

„Haus Davids“ – eine Königsdynastie?

Noch interessanter wird der Ausdruck „Haus Davids“ durch seinen Kontext: Der aramäische König berichtet in diesem Textteil davon, dass er den israelischen Königssohn Ahaz aus dem Hause Davids getötet hat. „Es gibt keinen Zweifel daran, dass diese Inschrift eines der bedeutendsten Artefakte mit Bezug zur Bibel ist, die jemals gefunden wurden“, konstatiert Eran Arie vom Israel-Museum in Jerusalem. „Sie belegt, dass das ‚Haus Davids‘ damals in dieser Region bekannt war – und dass ein solcher König keine literarische Erfindung einer viel späteren Periode war.“

Abschrift der Stele von Tel Dan mit der Phrase „Haus Davids“. © Schreiber/ CC-by-sa 3.0

Einige Forscher allerdings sehen dies kritischer. „Ich neige dazu anzunehmen, dass Juda in dieser Zeit vom Haus Davids beherrscht wurde“, kommentiert Philip Davies von der University of Sheffield in der Zeitung Haaretz. „Aber ob das ‚David‘ in ‚Haus Davids‘ für eine Person steht oder nur einen Titel oder Ort, bleibt unklar.“

Erwähnung auch in Hieroglyphen?

Immerhin sind seither noch zwei weitere mögliche Verweise auf ein „Haus Davids“ aufgetaucht. Einer davon befand sich auf einer Stele, die bereits 1868 in den Ruinen von Dibon, der alten Hauptstadt des Reichs Moab gefunden wurde. Die Stele wurde zwar wenig später von Beduinen zerstört, doch ein Abrieb der Inschrift blieb in Teilen erhalten. Dort ist der Passus zu lesen: „Und das Haus Davids hielt sich in Horonen auf“ – davon jedenfalls ist unter anderem der französische Archäologe André Lamaire überzeugt. Allerdings: Ein Buchstabe im Namen „David“ ist beschädigt, weswegen diese Interpretation umstritten ist.

Ähnlich strittig ist eine dritte mögliche Erwähnung Davids – diesmal auf einem ägyptischen Relief. In einer Inschrift am Tempel von Karnak beschreibt Pharao Scheschonq I. seinen Feldzug nach Palästina im Jahr 925 vor Christus. Unter den darin erwähnten Ortsnamen ist eine Phrase, die der britische Ägyptologe Kenneth Kitchen als „Hochland oder Höhen von David“ übersetzt. Ob damit allerdings eine Person oder doch eher ein Ort oder Stamm gemeint war, bleibt auch hier offen.

Die „Stadt Davids“

Spurensuche in Jerusalem

Wer heute die Stadt Jerusalem besucht, für den sind die Ruinen der „City of David“ fast schon ein Pflichttermin. Denn dieses Ruinenfeld südlich des Tempelbergs umfasst die ältesten Siedlungsspuren der Stadt – und hier soll auch Israels König David seine Spuren hinterlassen haben. Allerdings: Einen direkten Beleg für seine Anwesenheit oder Existenz – beispielsweise in Form einer Inschrift – sucht man auch hier vergebens.

Rekonstruktion der Davidststadt unmittelbar südlich der Tempelmauer in Jerusalem.© Ariely/ CC-by-sa 3.0

Die „Davidsstadt“, wie das Ausgrabungsareal seit den 1970er Jahren offiziell heißt, spiegelt vor allem eines wider: die komplexe Geschichte Jerusalems. Das 24 Hektar große Areal birgt historische Zeugnisse aus mehreren Jahrtausenden, darunter Gebäuderuinen, Wasserbecken und tief in den Fels gegrabene Tunnels und Kanäle. Seine Lage inmitten dreier tief eingekerbter Täler und mit dem Tempelberg im Rücken machte diesen Hügelhang schon in der frühen Bronzezeit zu einem strategisch günstigen und gut zu verteidigenden Ort.

David erobert Jerusalem

Diese Vorteile soll laut Bibel auch König David erkannt haben: Nachdem er sein Reich zunächst sieben Jahre lang von Hebron aus regiert hatte, beschloss er, Jerusalem zu erobern und zu seiner neuen Hauptstadt zu machen. Zu jener Zeit war die Stadt jedoch von den Jebusitern bewohnt – einem Volksstamm, den die Archäologie bisher nicht eindeutig zuordnen kann.

Obwohl sie die Stadt zu einer fast uneinnehmbaren Festung gemacht hatten, gelang es Davids Armee laut biblischer Überlieferung, Jerusalem einzunehmen. Im 2.Buch Samuel heißt es: „David ließ sich in der Burg nieder und nannte sie die Stadt Davids. Und David begann ringsum zu bauen, und zwar vom Millo an bis zur Burg.“ Wenig später wird beschrieben, dass Zimmerleute und Steinmetze dort auch einen Palast für David erbauten.

Teile der in Jerusalem enteckten Großen Steinstruktur – möglicherweise einem Bau aus der Zeit Davids.© Deror avi/ CC-by-sa 3.0

Grundmauern von Davids Palast?

Doch wo sind diese Bauwerke Davids? Lange waren davon keine Spuren zu finden, die meisten Ruinen der „Davidsstadt“ stammen aus deutlich späterer Zeit. Doch 2005 stieß die Archäologin Eliat Mazar von der Universität Jerusalem auf Reste einer großen Steinstruktur. Zwischen dem Areal der Davidstadt und der Tempelmauer entdeckte sie unter jüngeren Ruinen die bis zu sieben Meter dicken Grundmauern eines Gebäudes.

„Wir sahen sofort, dass es etwas Monumentales war – und offensichtlich nicht Teil eines privaten Gebäudes“, sagt Mazar. Doch stammte es aus der Zeit König Davids? Eine Datierung von Gefäßscherben aus der Schicht unmittelbar unter den Mauerresten ergab, dass diese aus dem 11. oder 12. Jahrhundert vor Christus stammten. Weitere Scherben aus einem der Räume des monumentalen Gebäudes datierten die Forscher auf die Zeit Davids.

Nach Ansicht von Mazar und ihrem Team könnte es sich bei diesen Mauern um die Reste des Palasts von David handeln – oder zumindest um einen Beleg für Jerusalem als Königssitz. „Um eine so große Struktur zu errichten, benötigte man eine starke zentrale Regierung in Jerusalem“, meint Mazar. Zudem liegen diese Mauern genau dort, wo der Bibel nach David seine neuen Bauten errichtet haben soll. Als weiteres Indiz dafür sieht sie eine Steinstruktur, die bereits zuvor ganz in der Nähe der großen Mauern entdeckt wurde. Sie besteht aus einer 20 Meter hohen treppenartigen Rampe, die Mazar als Teil des Palasts wertet.

Direkt unterhalb des möglichen Davidspalasts liegt die große Treppenstruktur. © Yoav Dothan/ gemeinfrei

Eine Frage der Interpretation

Doch andere Archäologen sind skeptisch. So bezweifelt Israel Finkelstein von der Universität Tel Aviv sowohl die Datierung als auch die Interpretation dieser Funde. „Würde Mazar den biblischen Text nicht so wörtlich auslegen, hätte sie diese Relikte niemals mit so großer Vehemenz auf das zehnte Jahrhundert vor Christus datiert“, konstatiert er. Seiner Ansicht nach ist es wahrscheinlicher, dass die großen Bauten rund 100 Jahre später entstanden – und damit erst nach der Zeit Davids.

Eine andere Interpretation hat Philip Davies von der University of Sheffield. Er hält es für wahrscheinlicher, dass diese Bauten von den Jebusitern oder vielleicht sogar König Saul stammen. „Weil Jerusalem relativ nahe an Sauls überliefertem Regierungssitz liegt, halte ich es für viel wahrscheinlicher, dass die Funde aus der Eisenzeit-Ia-Schicht in Jerusalem ihm zuzuordnen sind als David“, so der Archäologe.

Damit scheint klar: Auch in Jerusalem, der biblischen Hauptstadt Davids, sind Belege für die Existenz dieses Königs und seines Reichs dünn gesät. Die wenigen Zeugnisse aus seiner Zeit sind unter Archäologen extrem umstritten – unwiderlegbare Beweise fehlen daher auch hier.

König ohne Reich?

Über wen herrschte David?

So umstritten die Existenz des Königs David ist, so unklar sind auch die Ausmaße seines Reichs. Die Bibel beschreibt David als Herrscher über ein ausgedehntes Territorium, das südlich des Toten Meeres begann und sich im Norden bis ins heutige Libanon erstreckte.

Doch Archäologen streiten bis heute darüber, ob es im 10. Jahrhundert vor Christus ein solches vereintes Königreich Israel überhaupt gegeben hat. Denn ein Großteil von Davids biblischem Territorium war nach gängiger Lehrmeinung eher von vielen einzelnen lokalen Stämmen besiedelt. Viele Archäologen halten David daher, wenn es ihn überhaupt gab, bestenfalls für einen König eines dieser kleinen Stammesreiche.

Ruinen eines monumentalen Torbaus in Hazor © Neolithic Ram CC-by-sa 2.0

Meggiddo und Co

Das Problem: Auch hier fehlt es an historischen Aufzeichnungen und eindeutig zuzuordnenden Funden. So soll der Bibel nach David die Städte Meggiddo, Hazor und Gezer eingenommen und ausgebaut haben. Und Ruinen zeugen davon, dass es dort einst tatsächlich befestigte und wohlhabende Städte gab. „Hazor ist wohlgeplant mit Befestigungen, Toren und gutgebauten Wohngebäuden“, berichtet Hazor-Grabungsleiter Amnon Ben-Tor von der Universität Jerusalem. „Das hätten Halbnomaden nicht leisten können.“

Doch ob diese Bauwerke aus Davids Zeit stammen, ist unklar. Denn in der Bronzezeit waren alle diese Städte zwar wichtige Zentren Kanaans, sie wurden aber noch vor Davids Zeit zerstört. Erst später wurden sie wiederaufgebaut – wann, ist umstritten. Während die Ruinen von Hazor für Ben-Tor aus dem zehnten Jahrhundert stammen, datieren andere Archäologen den Wiederaufbau dieser Städte auf die Zeit Salomos und seiner Nachfolger – und damit rund 100 Jahre nach einer möglichen Herrschaft Davids.

Die Festungsstadt Khirbet Qeiyafa

Doch weiter südlich, rund 30 Kilometer von Jerusalem entfernt, gibt es eine Stadt, die tatsächlich aus der Zeit Davids stammt: Khirbet Qeiyafa. Ausgrabungen seit 2008 enthüllten an einem Hang am Elah-Tal die Ruinen einer stark befestigten Stadt mit Stadtmauer, monumentalen Toren und einem Palastkomplex im Zentrum. Typisch sind zudem Wohnhäuser, die direkt innen an die Stadtmauer angebaut sind. Die Archäologen fanden Waffen, Keramiken, Metallobjekte und Unmengen an Tierknochen.

Ausgrabungen in Khirbet Qeiyafa. © Hebrew University of Jerusalem

Datierungen nach stammen diese Relikte aus der Zeit um 1050 bis 970 vor Christus – und damit aus der Zeit Davids. „Dies ist das erste Mal, dass Archäologen in Juda eine befestigte Stadt aus der Zeit des Königs David entdeckt haben“, sagt Grabungsleiter Yosef Garfinkel von der Universität Jerusalem. „Selbst in Jerusalem gibt es keinen so eindeutigen Fund aus dieser Periode.“ Garfinkel schätzt, dass diese Stadt von rund 500 bis 600 Menschen bewohnt war – und dass sie ein militärischer Stützpunkt war. Denn direkt gegenüber von Khirbet Qeiyafa auf der anderen Talseite lag die Philisterstadt Gat – Heimat des legendären Goliath.

Gehörten die Bewohner zum Volk Davids?

Wer jedoch die Bewohner von Khirbet Qeiyafa waren und ob sie zum Reich Davids gehörten, ist – wieder einmal – umstritten. „Es ist keine Frage, dass dies ein wichtiger Ort ist, aber was es genau war, darüber herrscht Uneinigkeit“, sagt Aren Maeir von der Bar Ilan Universität, der die Ausgrabungen im benachbarten Gat leitet. Garfinkel und seine Kollegen allerdings sind sich relativ sicher, dass die Bewohner der Stadt weder Kanaaniter noch Philister waren.

Dekorierter Schrein aus Khirbet Qeiyafa. © Hebrew University of Jerusalem

Sie liefern dafür zwei Indizien: „Im Laufe der Jahre haben wir tausende von Tierknochen gefunden, darunter von Schafen, Ziegen und Rindern – aber keine Schweineknochen“, sagt Garfinkel. „Außerdem haben wir drei Kulträume entdeckt, in denen zwar verschiedene rituelle Objekte, aber keine Menschenfiguren gefunden wurden. Das deutet darauf hin, dass die Population von Khirbet Qeiyafa zwei biblische Tabus beachtete: das Verbot von Schweinefleisch und das Verbot menschlicher Darstellungen oder Götterbilder.“ Seiner Ansicht nach müssen die Bewohner der Stadt daher zu Juda gehört haben – und damit zum Volk Davids.

Umstrittenes Erbe

Was ist das Fazit?

So etabliert König David in der Überlieferung gleich dreier Weltreligionen ist, so rätselhaft bleibt er für die Wissenschaft. Der Streit um die Existenz dieser Gestalt und ihres Reiches spaltet die Archäologie. Es geht unter anderem um die Frage, ob man Texte aus der Bibel als historische Dokumente verstehen darf und auch, wie die wenigen konkreten Funde zu interpretieren sind.

Die „City of David“ in Jerusalem ist heute eine groß vermarktete Touristenattraktion samt Besucherzentrum. © gemeinfrei

Archäologie als Propaganda-Instrument

Erschwerend kommt hinzu, dass die gesamte biblische Archäologie nicht frei von Politik und Propaganda ist: Für den Staat Israel sind die biblischen Stätten – und erst recht König David als Gründervater des ersten Reichs Israel – eine wichtige Legitimation ihres Anspruchs auf Palästina. Entsprechend stark unterstützt die Regierung des Landes alle Bestrebungen, archäologische Funde in diese Richtung hin zu interpretieren.

„Sie versuchen alles, was sie finden, in die biblische Geschichte einzupassen“, kritisiert der palästinensische Archäologe Hani Nure el-Din. „Sie haben einen Knopf und versuchen, einen ganzen Anzug drumherum zu schneidern“. Ähnlich sieht es auch sein israelischer Kollege Yonatan Mizrachi. Er kritisiert, dass vor allem in der „City of David“ einseitig Funde aus jüdischer Zeit in den Vordergrund gestellt werden, während die hellenistischen, römischen, byzantinischen und islamischen Besiedlungsperioden nur wenig Beachtung finden.

Umbruch in Juda

Einigkeit aber scheint zumindest in einem Punkt zu herrschen: Belastbare historische Belege für die Existenz Davids oder gar Informationen darüber, wer er genau war, gibt es nicht. Jenseits der Bibel herrscht über ihn nach wie vor großes Schweigen. Auch wenn die Stele von Tel Dan erste Verweise auf ein „Haus Davids“ lieferte, ist die genaue Auslegung dieser Phrase noch immer umstritten.

Karte eines möglichen vereinten Königreichs Israel zur Zeit Davids. Vasallenstaaten und besiegte Königreiche in Rot. © Online-today/ CC-by-sa 4.0

Noch weniger eindeutig ist die Lage in Bezug auf ein Reich Israel um 1000 vor Christus. Auf der einen Seite stehen Archäologen, die ein großes und geeintes Reich Israel unter einem König David für möglich halten. Ihrer Ansicht nach gibt es zumindest indirekte Hinweise darauf, dass um rund 1000 vor Christus ein Umbruch stattfand: In Juda verdoppelte sich die Bevölkerungsdichte und es wurden an einigen Orten Städte mit monumentalen Bauten errichtet. Eliat Mazar und einige ihrer Kollegen sehen darin ein Indiz für eine starke Zentralregierung und gegen bloß lokale Entwicklungen.

Ein Legitimations-Mythos?

Ihnen gegenüber stehen „minimalistische“ Archäologen wie Israel Finkelstein von der Universität Tel Aviv. Sie sehen in den Berichten der Bibel, die allesamt mindestens 250 Jahre nach der Zeit Davids entstanden, eher eine Art Herkunftslegende. Es sei ein Mythos, der die Legitimität und den Machtanspruch der aktuellen Herrscher und der Religion stützen sollte. An ein großes, vereintes Reich Israel unter einem König David glauben diese Forscher nicht.

Relief von Scheschonq I. am Tempel von Karnak, die Hieroglyphen listen unter anderem seine besiegten Gegner auf. © Olaf Tausch/ CC-by-sa 3.0

Auch an Jerusalem als Regierungssitz und Zentrum von Davids Reich haben sie Zweifel. Genährt werden diese durch die Aufzeichnungen des ägyptischen Pharaos Scheschonq I., der um 925 vor Christus einen erfolgreichen Feldzug gegen Israel und Juda führte. In einem Relief an einem Tempel von Karnak werden die dabei von den Ägyptern besiegten Städte ausführlich aufgelistet. Doch Jerusalem ist nicht dabei. Das könnte bedeuten, dass die „Stadt Davids“ selbst nach dessen Tod noch keine große überregionale Bedeutung besaß. „Es gibt keinen Beleg dafür, dass Jerusalem damals ein Sitz politischer Macht war“, sagt der britische Archäologe Philip Davies.

Nur lokale Bedeutung?

Tatsächlich neigen inzwischen Archäologen beider „Fraktionen“ dazu, im Reich Davids eher ein kleines, lokales Königreich zu sehen. „Ich sage, dass das Königreich Israel damals existierte“, betont Yosef Garfinkel. „Es war vermutlich ein kleines Reich, nicht so glorreich, wie es die Bibel darstellt. Aber das bedeutet nicht, dass es gar nicht vorhanden war.“ Ähnlich sieht es auch der Minimalist Finkelstein: „Wir reden hier nicht über ein großes Reich, das von einer prachtvollen Hauptstadt aus regiert wurde, wie es beispielsweise für Assyrien oder selbst Nordisrael im neunten vorchristlichen Jahrhundert galt.“

Doch solange Archäologen nicht weitere, eindeutigere Funde in Jerusalem, dem judäischen Hochland oder anderen Gebieten des Nahen Ostens machen, wird der Streit um Davids Reich nicht enden. Der biblische König und seine Zeit bleiben eines der brisantesten und umstrittensten Themen der biblischen Archäologie.