Home SoziologieKriminalität ist nicht nur Thema des Strafrechts
Kriminalität ist nicht nur Thema des Strafrechts

Kriminalität ist nicht nur Thema des Strafrechts

Das neue Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS) der Uni Siegen startete mit einer internationalen Tagung. Wissenschaftler*innen forschen im interdisziplinären Zusammenschluss zu Kriminalität.

Krimi-Shows, Krimi-Klassiker, Krimi-Podcasts, Kriminalfall, Kriminalstatistik, Kriminalpolizei. Egal ob mit dem verniedlichenden Stempel „Krimi“ versehen oder im strafrechtlichen Sinne ernst gemeint: Es dürfte keinen Bereich der Gesellschaft geben, in dem Kriminalität nicht wahrgenommen und von ihr gesprochen wird. Sie ist folglich nicht nur ein Thema des Strafrechts, sondern kulturell breit verankert: Kriminalität ist allgegenwärtig. Im neu gegründeten Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS) an der Universität Siegen forschen Wissenschaftler*innen im interdisziplinären Zusammenschluss zu Kriminalität.
Denn der Begriff Kriminalität wird unterschiedlich interpretiert, genutzt und behandelt. Die inhaltliche Spannbreite ist außerordentlich groß. Weit über juristische Fragen hinaus wird Kriminalität in Romanen, Comics, Tageszeitungen, auf digitalen Plattformen, in politischen Debatten oder zum Beispiel in der präventiven Arbeit in Schulen als eine soziale Realität hervorgebracht, mit der man sich befassen muss.

Im Center for interdisciplinary Crime Studies (CiCS) geht man von dieser Vielschichtigkeit aus. Kriminalität wird als etwas Dynamisches verstanden, dessen Bedeutung „befestigt“ werden muss. „Wir gehen nicht davon aus, dass es in der Analyse von Kriminalität einen unverstellten Punkt geben könnte, von dem aus sie perspektivenunabhängig in den Blick genommen werden könnte“, sagt Bernd Dollinger als Sprecher des Center. „Stattdessen verlangen Analysen von Kriminalität nach einer doppelten Infragestellung: einerseits bezüglich der Art und Weise, wie Kriminalität kontextabhängig hervorgebracht wird, andererseits der Art und Weise, wie sie durch jeweils besondere, disziplinär geprägte Perspektiven konstituiert und zugänglich gemacht wird.“

Das „Center“ nimmt diese doppelte Reflexion ernst. „Kriminalität ist weder in sich eindeutig noch ist sie beliebig zuzuschreiben“, betont Anika Gomille, die in dem Center als Ko-Sprecherin fungiert. Kriminalität sei im Gegenteil beides. „Sie ist dynamisch und ändert sich mit der Art und Weise, wie sie wahrgenommen und ausgedeutet wird. Zugleich kann sie eine harte Realität werden. Unsere Forschungen streben an, dieser Besonderheit von Kriminalität gerecht zu werden.“

Am Center beteiligt sind Wissenschaftlerinnen aus der Sozialpädagogik, der Rechtssoziologe, den Sozialwissenschaften und den Literaturwissenschaften (Anglistik und Romanistik): Prof. Dr. Zoe Clark, Prof. Dr. Bernd Dollinger, Jun.Prof. Dr. Anika Gomille, Jun.-Prof. Dr. Dr. Dörte Negnal, Dr. Holger Schmidt, Prof. Dr. Daniel Stein, Prof. Dr. Yasmin Temelli, Nina Thielges, Jun.-Prof. Dr. Alexander Wohnig.

Den feierlichen Auftakt für die Forschungsaktivitäten des CiCS bildete eine erste internationale und interdisziplinäre Tagung an der Universität Siegen mit dem Titel „Kriminalität als Prozess“ („Crime as a Process“). An der Tagung waren renommierte Referierende beteiligt, u.a. aus England, Schottland, Kanada oder den USA. Mit ihnen wurde aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert, was es bedeutet, Kriminalität aus einer Prozess-Perspektive heraus wahrzunehmen. Es wurde deutlich, dass mit dieser Sichtweise wichtige Punkte in den Blick geraten, etwa internationale Transfers kriminalpolitischer Reformen, aber auch historische Veränderungen oder Medienberichte mit ihrem besonderen Blick auf Kriminalität und die Strafjustiz. Die Tagung war ein sehr gelungener Auftakt des Center, dem weitere Treffen folgen werden.