Gold aus dem bronzezeitlichen Troja und dem mesopotamischjen Ur hatte denselben Ursprung
Rätsel um bronzezeitliches Gold: Seit fast 150 Jahren rätseln Archäologen, woher das Gold für den berühmten „Schatz des Priamos“ stammt. Jetzt gibt es erste Hinweise: Analysen enthüllen, dass der Goldschmuck aus dem bronzezeitlichen Troja die gleiche Zusammensetzung hat wie Gold aus den mesopotamischen Königsgräbern in Ur. Das legt nahe, dass das wertvolle Edelmetall schon vor mehr als 4.000 Jahren über weite Entfernungen hinweg gehandelt und transportiert wurde.
Im Jahr 1873 stieß der deutsche Archäologe Heinrich Schliemann bei Ausgrabungen in West-Anatolien nicht nur auf Stadtrelikte, die er als das antike Troja interpretierte. In einer der Fundschichten entdeckte er auch einen ganzen Hort von Goldschmuck, Silberbechern und Bronzedolchen – den „Schatz des Priamos„. Heute weiß man, dass dieser Schatz nicht aus der Antike stammt, sondern schon aus der frühen Bronzezeit vor gut 4.000 Jahren – was den Fund noch ungewöhnlicher macht.
Rätsel um bronzezeitliches Gold
„Die enorme Menge von Goldobjekten hoher Qualität ist erstaunlich, vor allem, weil solche Horte wertvoller Objekte zuvor aus der Ägäis und Westanatolien nicht bekannt waren“, erklären Moritz Numrich vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie (CEZA) in Mannheim und seine Kollegen. Auch in anderen städtischen Zentren der frühen Bronzezeit scheint das Horten von Gold und anderen Wertobjekten erst ab dieser Zeit vorzukommen.
„Doch wer die Besitzer dieser wertvollen Objekte waren, warum sie ihre Schätze horteten, ob dieser Schmuck lokal hergestellt wurde und nicht zuletzt, woher das Gold dafür kam, blieb bislang ungeklärt“, so die Forschenden. Dies gilt auch für den weltberühmten Schatz des Priamos: „Seit Schliemanns Zeit ist der Ursprung dieses Goldes ein ungelöstes Rätsel der Archäologie und Archäometrie“, erklären sie.
Mobiler Laser nimmt erste Proben
Einer der Gründe dafür: Um das Gold dieser Schätze genau analysieren zu können, müsste man die Fundstücke ins Labor schaffen und dort Proben nehmen. Denn historischer Goldschmuck enthält neben Gold immer auch andere Elemente wie Silber, Kupfer, Zinn, Palladium und Platin. Ihr Anteil in der Legierung kann verraten, woher das Edelmetall stammt und wie es bearbeitet wurde. Doch die Halsketten, Anhänger, Ohr- und Halsringe aus Troja sind so kostbar, dass sie weder in ein Labor transportiert, noch auf eine Weise untersucht werden dürfen, die sichtbare Schäden an den Objekten hinterlässt.
Eine Lösung für dieses Problem haben Numrich und seine Kollegen nun in Form eines tragbaren Geräts zur Laserablation gefunden: Der mobile Laser schmilzt vor Ort im Museum ein so kleines Loch in die Stücke, dass es mit bloßem Auge nichts zu erkennen ist. Anschließend konnte das Team die Proben von 61 Gold-Fundstücken aus Troja und dem bronzezeitlichen Ort Poliochni auf der Insel Lemnos mittels Massenspektrometrie auf ihre chemische Zusammensetzung hin untersuchen.
Dasselbe Gold in Troja und Ur
Das überraschende Ergebnis: Das Gold aus Troja und Poliochni hat dieselbe chemische Zusammensetzung wie Goldobjekte, die in den Königsgräbern von Ur in Mesopotamien gefunden wurden – einer Region die tausende Kilometer entfernt liegt. Auch bronzezeitlicher Goldschmuck aus Georgien stimmt in seinen Spurenelementen mit dem Gold aus Troja überein, wie die Wissenschaftler feststellten.
Das spricht dafür, dass das kostbare Edelmetall schon vor mehr als 4.000 Jahren über weite Strecken hinweg transportiert wurde. „Es muss Handelsbeziehungen zwischen diesen weit entfernten Regionen gegeben haben“, sagt Seniorautor Ernst Pernicka vom CEZA und der Universität Tübingen. Dafür spricht auch, dass in der frühen Bronzezeit von der Ägäis bis ins Industal im heutigen Pakistan auffallend ähnliche Schmuckstücke wie beispielsweise Ohrringe mit Spiralmustern verbreitet waren.
„Diese Ähnlichkeiten könnten darauf hindeuten, dass damals nicht nur das Edelmetall zwischen diesen weit entfernten Orten gehandelt wurde, sondern auch die Schmuckstücke selbst“, mutmaßen die Archäologen. Möglicherweise wanderten auch die Schmuckmacher der damaligen Zeit zwischen diesen Bronzezeit-Reichen hin und her.
Kam das Gold aus Georgien?
Doch was bedeutet dies für den Ursprung des trojanischen Goldes? Weil es in Mesopotamien nach gängigem Wissen keine natürlichen Goldvorkommen gibt, könnte das Gold der Königsgräber von Ur einst aus West-Anatolien nach Mesopotamien gebracht worden sein. Denn dort gibt es einige Hinweise auf frühe Goldfunde. „Es kommen aber noch ganz andere Regionen in Betracht, in die rege Handelsbeziehungen mit Ur nachgewiesen sind“, betont Pernicka.
Dazu gehört auch Georgien: „Wenn wir den Anteil von Spurenelementen im Gold aus Troja, Poliochni und Ur betrachten, so zeigt bronzezeitliches Gold aus Georgien die größte Übereinstimmung mit den genannten Fundorten“, berichtet Permnicka. „Uns fehlen aber noch Daten und Untersuchungen aus anderen Regionen und von weiteren Objekten um diese Vermutung zu erhärten.“
Klar scheint aber, dass das Gold von Troja und Ur nicht in bronzezeitlichen Bergwerken abgebaut wurde. Stattdessen deuten die hohen Konzentrationen von Zinn, Palladium und Platin im Goldschmuck darauf hin, dass dieses Edelmetall einst als Goldstaub aus einem Fluss gewaschen wurde. Wo dieser Fluss jedoch lag, bleibt vorerst offen. (Journal of Archaeological Science, 2022; doi: 10.1016/j.jas.2022.105694)
Quelle: Eberhard Karls Universität Tübingen