Verständnis neuronaler Strukturen eröffnet bessere Therapiechancen bei Parkinson
Neue Erkenntnisse aus dem Gehirn: Forschende haben herausgefunden, in welchem Hirnareal Unbehagen und Abneigung entstehen. Sie entdeckten, dass eine Aktivierung des Nucleus subthalamicus in Mäusen ein starkes Unbehagen hervorruft. Da diese Gehirnregion bei Parkinson-Patienten therapeutisch stimuliert wird, könnte die Studie erklären, warum bei der Behandlung von Parkinson teils depressive Nebenwirkungen auftreten. Demnach könnte dieses Hirnareal auch eine Rolle bei der Entstehung von Depressionen spielen. Die Ergebnisse könnten somit zu besseren Behandlungen von Parkinson und anderen Krankheiten führen.
Bei der Parkinson-Krankheit ist die Gehirnregion des Subthalamus (Nucleus subthalamicus), die willkürliche Bewegungen und unser Verhalten steuert, übermäßig aktiv. Die Stimulation dieser Gehirnregion mit implantierten Elektroden „korrigiert“ dies und beseitigt bei Parkinson-Patienten oft sehr gut das typische Zittern und andere motorische Beschwerden dieser neurodegenerativen Erkrankung. Bei einigen Patienten treten jedoch Nebenwirkungen wie schwere Depressionen auf. Warum das so ist, hat nun eine Forschungsgruppe herausgefunden.
Forschende um Gian Pietro Serra von der Universität Uppsala untersuchen seit Längerem anhand von Mäusen, was passiert, wenn der Subthalamus durch tiefe Hirnstimulation aktiviert wird. In einer früheren Studie fanden sie bereits heraus, dass Mäuse, deren Subthalamus auf diese Weise aktiviert wird, der Stimulation zu entkommen versuchen.
Gezielte Aktivierung des Nucleus subthalamicus
Nun haben Serra und sein Team genauer untersucht, warum ihre Testmäuse die Hirnstimulation offenbar als unangenehm empfanden. Dafür verwendeten sie eine optogenetische Methode, um gezielt den Nucleus subthalamicus von Mäusen und kein anderes Hirngewebe zu stimulieren. Mit Licht aktivierten oder deaktivierten sie dabei im Gehirn von gentechnisch veränderten Mäusen einzelne Neuronen, die lichtempfindliche Proteine auf ihrer Oberfläche trugen.
Mithilfe von spezifischen molekularen Markern unterschieden die Forschenden dabei den Nucleus subthalamicus exakt von seinen umgebenden neuronalen Strukturen. Dadurch konnten sie untersuchen, wie einzelne Neuronen im Gehirn der Mäuse durch das Licht beeinflusst wurden und wie sich die Mäuse verhielten, wenn die Neuronen mehr oder weniger aktiv waren.
Mäuse vermeiden Gefühl des Unwohlseins
Die Versuche zeigten: Wird der Subthalamus bei den Mäusen stimuliert, erzeugt dies bei den Tieren offenbar ein ausgeprägtes Unwohlsein. Sie reagieren mit einem Gefühl der Abneigung oder Angst. Das erkannten die Forschenden daran, dass die Tiere wiederholt ihr Fell im Gesicht pflegten – ein Verhalten, das aus früheren Studien bekannt ist.
Überraschenderweise vermieden die Tiere die Versuchssituation jedoch nicht nur während der Aktivierung des Nucleus subthalamicus, sondern auch, wenn diese Hirnregion in einem späteren Versuch nicht aktiviert wurde. Die Forschenden schließen daraus, dass die Mäuse sich das erlebte Unbehagen merkten und vorsichtshalber die Situation vermieden. Die Assoziationen der erlebten Situation mit dem negativen Gefühl waren demnach stark genug, um das Verhalten aufrechtzuerhalten.
„Unsere Studie zeigt, dass diese Region des Gehirns bei Stimulation an Abneigungs- und Vermeidungsverhalten beteiligt ist“, erklärt Seniorautorin Åsa Wallén-Mackenzie von Universität Uppsala. Damit haben sie und ihre Kollegen nun den Ort im Gehirn identifiziert, der Unwohlsein und Abneigung erzeugt: den Nucleus subthalamicus. Zudem haben sie neuronale Schaltkreise identifiziert, die diese Region mit dem emotionalen System des Gehirns verbinden, das bei starkem Unwohlsein aktiv wird.
Zusammenhang mit Depression und Parkinson
Das Gefühl der Abneigung erfüllt den Forschenden zufolge eine biologisch wichtige Funktion: Sie lässt Tiere und uns Menschen Dinge meiden, die uns ein schlechtes Gewissen bereiten. Aus früheren Studien ist jedoch auch bekannt, dass eine starke Aktivierung des Abneigungssystems des Gehirns bei uns Menschen zu Depressionen führen kann.
„Dass der Subthalamus Abneigungs- und Vermeidungsverhalten hervorruft, ist daher eine wichtige Erkenntnis. Sie erweitert unser Verständnis des emotionalen Systems des Gehirns und wie die Hirnaktivität zu psychiatrischen Symptomen wie Depression und Apathie führen kann“, sagt Wallén-Mackenzie. „Außerdem könnte es erklären, warum bei Menschen mit Parkinson-Krankheit, die mit tiefer Hirnstimulation behandelt werden, solche Nebenwirkungen auftreten können.“.
Hoffnung auf verfeinerte Therapie bei Parkinson
Damit liefern diese Ergebnisse nicht nur neue Erkenntnisse darüber, wo im Gehirn Unwohlsein und Abneigung entstehen, sie könnten auch von praktischem medizinischem Nutzen sein. „Da wir nun zeigen können, dass der Subthalamus eine direkte Verbindung zur Abneigung hat und mit dem Depressionszentrum des Gehirns verbunden ist, können wir diese Nebenwirkungen bei der Behandlung von Parkinson-Patienten neurobiologisch verstehen und erklären“, sagt Serra.
„Unsere Studie ebnet den Weg für eine verbesserte klinische Präzision dieser Behandlungen“, erklärt Mackenzie. Ziel sei es, die Krankheitssymptome zu behandeln, ohne schwere Nebenwirkungen zu verursachen. Das könnte auch bei anderen Krankheiten wie Tremor, Tourette sowie Zwangs- und Essstörungen hilfreich sein, die ebenfalls durch Stimulation des Subthalamus behandelt werden. Weitere Studien sind jedoch nötig, um aufzudecken, welche Neuronen innerhalb des Subthalamus an dem beobachteten Vermeidungsverhalten und Depressionen beteiligt sind. (Cell Reports, 2023; doi: 10.1016/j.celrep.2023.113328)
Quelle: Schwedischer Forschungsrat