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Albert Einstein

Albert Einstein

Wie die Zeit relativ wurde und die vierte Dimension entstand

„Was würde geschehen, wenn ich hinter einem Lichtstrahl hereilen und ihn schließlich einholen würde?“ Diese Frage stellte Albert Einstein als 17jähriger. Einige Jahre später hatte er diesen Gedankengang vollendet und damit die alten Vorstellungen von der Beschaffenheit von Raum und Zeit – über 200 Jahre bestehendes Gedankengut – hinfällig gemacht.

Physiker, Nobelpreisträger, Atombombe, E=mc², Relativitätstheorie… Das sind Schlagworte, die auch heute noch mit dem Namen „Albert Einstein“ verbunden sind. Aber wer weiß schon, dass Einstein beinahe Präsident von Israel geworden wäre? Wer sprach offene Morddrohungen gegen ihn aus? Welche Schuld trifft ihn wirklich am Bau der Atombombe? Und was ist dran an der Behauptung, dass Einstein ein lausiger Schüler war?

War Einstein ein schlechter Schüler?

Vom hässlichen Entlein zum strahlenden Schwan

Als Albert Einstein am 14. März 1879 in Ulm geboren wurde, ahnten seine Eltern Hermann und Pauline Einstein natürlich noch nicht, dass ihr Sohn eines Tages Weltruhm erlangen und ein Foto von ihm mit ausgestreckter Zunge gewissermaßen zum Symbol für außergewöhnliche Intelligenz würde. Ein gutes Jahr später, im Juni 1880, zog die Familie nach München um, wo Hermann Einstein zusammen mit seinem Bruder Jakob eine elektrotechnische Firma gründete. Am 18. November 1881 bekamen Albert’s Eltern ein zweites Kind – seine Schwester Maria, genannt Maya.

Gerne lassen sich Biographen an diesem Punkt im Leben des Genies dazu hinreißen, ausführlich über die frühen Lernschwächen des jungen Albert Einstein zu berichten. So findet sich oft die Bemerkung, Albert habe erst mit drei Jahren zu sprechen gelernt, so dass seine Eltern bereits befürchten mussten, der Junge sei geistig zurückgeblieben. Selbst mit neun Jahren konnte er angeblich noch immer nicht fließend reden.

Auch in der Schule schlug der spätere Nobelpreisträger keine typische Wunderkind-Karriere ein. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass seine Lehrer Alberts Leistungen als „kümmerlich“ einstuften. 1888 wechselte er auf das Luitpold-Gymnasium, doch auch dort sei er ein mittelmäßiger Schüler gewesen. Den strengen und autoritären Unterrichtsstil lehnte der freiheitsliebende Albert ab, so dass seine Lehrer ihm vorhersagten, er würde es nie zu etwas Rechtem bringen. Allgemein soll der Schüler Einstein ein bereits stark ausgeprägtes Desinteresse an einigen Fächern demonstriert und zum Beispiel den Unterricht für griechische Grammatik regelmäßig gestört haben. Das Bild des Versagers, der erst spät durch brilliante Gedankengänge von sich reden machte, vervollständigt sich durch den Umstand, dass Einstein mit 15 Jahren die Schule ohne Abschluss abbrach. Aufgrund mangelhafter Prüfungsleistungen fiel er 1895 auch durch die Aufnahmeprüfung der Polytechnischen Schule in Zürich.

Diese Vorstellung von Albert Einstein erfreut sich großer Beliebtheit: Das langsam lernende Kind, der mittelmäßige Schüler, der abgelehnte Student, der es später allen anderen zeigt und praktisch aus dem Nichts heraus auf einmal geniale Gedankengänge präsentiert. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Vielleicht konnte Albert tatsächlich erst mit drei Jahren sprechen, mit fünf Jahren aber erhielt er den ersten Privatunterricht und zeigte ein ausgeprägtes naturwissenschaftliches Interesse. Ein Taschenkompass, den sein Vater ihm zu dieser Zeit schenkte, ließ ihn erstmals über die Kräfte nachdenken, die die Nadel stets nach Norden ausrichteten. In der Volksschule war der Junge einer der Besten seiner Klasse. Mit 13 Jahren macht sein Onkel ihn mit dem Satz des Pythagoras (a² + b² = c², man wird sich aus eigener Schulzeit mehr oder weniger schmerzlich erinnern) bekannt. Falls Albert es selbständig schafft, diesen Satz zu beweisen, will der Onkel ihm ein Buch über euklidische Geometrie schenken. Allein die Tatsache, dass dieser Preis – wer wünscht sich mit 13 schon ein Geometrie-Buch? – den Jungen nicht davon abhält, sich an der Aufgabe zu versuchen, zeigt, dass Albert Einstein kein gewöhnlicher 13jähriger war. Der Beweis, der Pythagoras einst in den Olymp der unvergessenen Mathematiker erhob, gelingt ihm schließlich. Weiter vervollständigt der Junge auf autodidaktischem Wege sein Wissen in den Fächern, die ihn interessierten. Er liest zahlreiche naturwissenschaftliche Volksbücher und Kants „Kritik der reinen Vernunft“ – ebenfalls im Alter von 13 Jahren.

Auch den Abbruch der Schule kann man nicht isoliert betrachten. So musste sein Vater 1894 die Fabrik aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auflösen, woraufhin die Familie nach Mailand umzog. Albert blieb alleine in Deutschland zurück, um das Gymnasium zu beenden. Ohne Familie, gute Freunde und mit nur geringem Rückhalt bei den Lehrern hielt den Jungen nicht viel in Deutschland. Dennoch brach er die Schule nicht Hals über Kopf ab, sondern ließ sich zuvor von seinem Mathematiklehrer hochschulreife Kenntnisse und Fähigkeiten bescheinigen.

Die Aufnahmeprüfung am Polytechnikum besteht er tatsächlich nicht – trotz hervorragender Leistungen in Mathematik und Physik. Der Grund: Wissenslücken in anderen Fächern. Doch oft wird vergessen, dass Einstein zu dem Zeitpunkt mit seinen 16,5 Jahren sowieso noch weit unter dem Mindestalter von 18 lag. Albin Herzogs, Rektor des Polytechnikums ermunterte ihn, die Hoffnung nicht aufzugeben und an der Kantonschule in Aarau sein Abitur nachzuholen. Einstein fühlte sich an dieser Schule sehr viel wohler als am Luitpold-Gymnasium, machte seinen Abschluss und begann 1896, noch immer unterhalb des Mindestalters, seine Studien am Polytechnikum.

Vielleicht war Albert Einstein in jungen Jahren kein Musterschüler und möglicherweise hat er in Fächern, die ihn nicht interessierten, keine Glanzleistungen erbracht. Aber auf die einfache Formel „Schlechter Schüler wird Nobelpreisträger“ lässt sich sein früher Werdegang dann doch nicht reduzieren.

Ehrwürdiger eidgenössischer Tintenscheisser

Einstein als kleiner Angestellter

Staubkörnchen tanzen in dem Lichtstrahl, der durch das Fenster des Patentamtes Bern dringt. Am Schreibtisch sitzt ein Angestellter, ein „Experte III. Klasse“ vor einigen Unterlagen für eine Erfindung aus dem Bereich der Elektrotechnik. Der Name des Angestellten: Albert Einstein.

Wie kann das sein? Warum sitzt der Schöpfer der allgemeinen Relativitätstheorie, der wohl berühmteste Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, als kleiner Angestellter mit einem Jahresgehalt von 3.500 Franken im Patentamt? Hatte er denn keine besseren Möglichkeiten? Die gab es anfangs tatsächlich nicht. Genaugenommen konnte er sogar froh sein, dass er durch Beziehungen an den Job beim Patentamt gekommen war…

Reisen wir noch ein Stückchen weiter zurück in die Vergangenheit. Wir schreiben das Jahr 1896 und Albert Einstein nimmt gerade seine Studien am Polytechnikum in Zürich auf. Seinen Neigungen folgend, belegt er Kurse für den Fachlehrer in Mathematik und Naturwissenschaft. Wie bereits zu Schulzeiten, fällt es ihm schwer, großen Enthusiasmus für Fächer an den Tag zu legen, die ihn weniger interessierten. Er bemerkte selber einmal: „Um ein guter Student zu sein, muss man eine Leichtigkeit der Auffassung haben; Willigkeit, seine Kräfte auf all das zu konzentrieren, was einem vorgetragen wird; Ordnungsliebe, um das in den Vorlesungen Dargebotene schriftlich aufzuzeichnen und dann gewissenhaft auszuarbeiten. All diese Eigenschaften fehlten mir gründlich, was ich mit Bedauern feststellte.“ Daher schwänzt er einige Vorlesungen und „studierte zu Haus die Meister der theoretischen Physik mit heiligem Eifer.“

Nach seinem Abschluss mit Diplom im Jahre 1900 bekam er allerdings nicht die von ihm angestrebte Assistentenstelle, vermutlich, weil seine Professoren ihn als zu eigenständig einschätzten. Aber auch wenn er nicht alle Anweisungen befolgte und Skriptunterlagen einfach in den Müll warf, waren seine Lösungen doch immer richtig und seine unkonventionellen Lösungsansätze interessant. Einer seiner Dozenten sagte ihm einst: „Sie sind ein gescheiter Junge, Einstein, ein ganz gescheiter Junge. Aber Sie haben einen Fehler: Sie lassen sich nichts sagen!“

Warme Worte und gutgemeinte Ratschläge halfen Einstein in dieser Situation jedoch nur wenig. Er hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser, gab hier und da Privatstunden. Seine finanzielle Lage verschlechterte sich noch, als seine Studienkollegin Mileva Marin von ihm schwanger wurde. 1903 heirateten die beiden, noch immer hatte keine von Alberts Bewerbungen um Universitätsstellen Erfolg. Unter anderem schrieb Einstein einen Brief an den bekannten Chemiker, Physiker und späteren Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald, in dem er um eine Stelle bat. Als Referenz sandte er einen Forschungsartikel über Kapillarität mit, den er während seiner Zeit als Privatlehrer verfasst hatte. Dies war damals durchaus kein üblicher Weg der Bewerbung und blieb denn auch ohne Erfolg.

Einstein wartete vergeblich auf eine Antwort des Gelehrten. Auch eine Bewerbung bei Professor Heike Kamerlingh-Onnes in Leiden, Holland blieb ergebnislos. Nun beschloss Alberts Vater, seinem Sohn unter die Arme zu greifen, und schrieb seinerseits einen Brief an Professor Ostwald. Doch obwohl er mit freundlichen Worten schloss („Sollte es Ihnen überdies möglich sein, ihm für jetzt oder nächsten Herbst eine Assistentenstelle zu verschaffen, so würde meine Dankbarkeit eine unbegrenzte sein.“), war Ostwald noch immer nicht bereit, Albert zu helfen.

Man kann sich daher die Erleichterung der ganze Familie vorstellen, als Einstein endlich durch seinen früheren Freund Marcel Großmann die Stelle am Patentamt bekam. Im Rückblick war diese Anstellung als „ehrwürdiger eidgenössischer Tintenscheisser mit ordentlichem Gehalt“, wie er sie selber nannte, möglicherweise ein großes Glück für seine Karriere. Schließlich hatte er hier endlich eine Arbeit gefunden, die ihm Zeit genug ließ, in aller Ruhe seinen Ideen nachzugehen und sein autodidaktisches Studium fortzusetzen. Und tatsächlich verfasste er während dieser Zeit einige seiner wichtigsten Arbeiten. Unter anderem die, die ihm später den Nobelpreis einbrachte.

Als das Universum noch vorstellbar war

Zeit und Raum vor Einstein

Was würde geschehen, wenn ich hinter einem Lichtstrahl hereilen und ihn schließlich einholen würde? Möglicherweise ist diese Frage schon vielen durch den Kopf geschossen, aber vermutlich haben sich nur die wenigsten ernsthaft damit beschäftigt. Einstein war einer davon. Und er stellte das physikalische Weltbild auf den Kopf.

Damit war er nicht der erste. Schon Galilei und Newton brachen mit bestehenden Regeln. Aristoteles hatte einst verkündet, ein schwerer Körper falle schneller als ein leichter. Da der natürliche Zustand eines beliebigen Körpers die Ruhe sei, sei die Triebkraft eines schweren Körpers, auf die Erde zu fallen, wesentlich größer als die eines leichten.

Galilei widerlegt Aristoteles

Diese Vorstellung verschieden schnell fallender Körper hielt sich beinahe zweitausend Jahre – bis Galilei schließlich auf die Idee kam, diese Vermutung experimentell nachzuprüfen. Dabei stellte er dann fest, dass (mal abgesehen von extremen Beispielen wie Blei und Feder, wo der Luftwiderstand eine beträchtliche Rolle spielt) die Geschwindigkeit fallender Körper in gleichem Maße zunimmt. Unabhängig von ihrem Gewicht.

Newton und der Apfel

Auf dieser Grundlage entwickelte Newton seine berühmten Bewegungsgesetze, bei deren Entstehung der Legende nach ein fallender Apfel eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt haben soll. Im Gegensatz zu Aristoteles nahm Newton nicht den Ruhezustand als den natürlichen Zustand eines Körpers an, sondern eine gleichförmige Bewegung. Die Wirkung einer Kraft auf den Körper setzt diesen also nicht erst in Bewegung (Aristoteles), sondern verändert vielmehr seine Geschwindigkeit. Eine starke Kraft beschleunigt den Körper demnach mehr als eine schwächere. Ebenso benötigt ein schwerer Körper eine stärkere Kraft, um auf eine bestimmte Geschwindigkeit gebracht zu werden, als ein leichter Körper.

Newtons Gesetze bedingen somit, dass es keinen absoluten und eindeutigen Ruhepunkt gibt. Wirft jemand etwa in einem fahrenden Auto einen Ball hoch und fängt ihn wieder, so gehorcht der Ball den Newtonschen Gesetzen genauso, als wenn er außerhalb des Autos am Straßenrand geworfen worden wäre. Für den Beobachter im Auto könnte es daher so aussehen, als bewege sich der am Straßenrand stehende von ihm fort, während er selber den Ball an einer Stelle werfe.

Wenn es aber keinen absoluten Ruhepunkt gibt, so hat ein Ereignis (wie beispielsweise der Wurf des Balls) keine absolute Position im Raum. Je nachdem, ob sich der Beobachter im Auto oder außerhalb befindet, wäre die Position des Ereignisses verschieden. Newton selber behagte diese Vorstellung gar nicht. Das Fehlen eines absoluten Raumes oder Ortes widersprach seiner Vorstellung von Gott. Als einzige Konstante blieb nun noch die Zeit.

Das Licht nach Maxwell

Als Maxwell 1865 seine Theorie zur Ausbreitung des Lichtes formulierte, stand man zunächst vor einem Problem. Nach Maxwell besteht Licht aus Wellen bestimmter Wellenlänge. Rotes Licht hat demnach stets die gleiche Wellenlänge und bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit fort. Nach Newton musste aber ein Bezugspunkt gefunden werden, zu dem sich das Licht gleichbleibend bewegt, denn den absoluten Ruhepunkt gab es ja nun nicht mehr. So entstand die Vorstellung des „Äther“, der den gesamten „leeren“ Raum erfüllt. Die Lichtwellen bewegen sich demnach mit einer Geschwindigkeit relativ zum Äther fort, ähnlich wie Schallwellen in der Luft.

Einstein verändert alles

Doch dann erschien 1905 ein Aufsatz, der alles veränderte. Albert Einstein, Angestellter eines Patentamtes und Verfasser des Aufsatzes, schaffte den Äther kurzerhand ab. Mehr noch: Er nahm die Lichtgeschwindigkeit als Konstante, die unveränderlich ist. Raum und Zeit dagegen waren auf einmal veränderlich und nur noch relativ zur Lichtgeschwindigkeit zu sehen. Auf einmal war in der Physik nichts mehr wie früher.

Jedem eine eigene Uhrzeit

Das Ende der absoluten Zeit

Wenn Einstein gebeten wurde, seine Relativitätstheorie kurz zusammenzufassen, so sagte er gerne: „Früher hat man geglaubt, wenn alle Dinge aus der Welt verschwinden, so bleiben noch Raum und Zeit übrig. Nach der Relativitätstheorie verschwinden aber Raum und Zeit mit den Dingen.“ Wie konnte Einstein eigentlich mit einer so unerhörten Behauptung daherkommen? Wieso konnte er einfach den Äther abschaffen und die Lichtgeschwindigkeit als Naturkonstante festlegen? Hatte denn nicht vor Einstein alles prima zusammen gepasst?

Nein, hatte es nicht. Auch vor Einstein schon hatte es Bestrebungen gegeben, sich von der Vorstellung des Äthers – einer Substanz, die den gesamten Raum ausfüllt und in dem sich die Lichtwellen bewegen – zu lösen. Einige Wochen nach dem Erscheinen von Einsteins Aufsatz äußerte der Mathematiker Henri Poincaré einen ähnlichen Gedanken, nur hatte er den Ansatz mit mathematischen Ideen untermauert, anstatt mit physikalischen. Aber auch Poincaré wollte die absolute, unveränderliche Zeit aufgeben.

Das Problem mit dem Äther war Folgendes: Ähnlich wie der Schall sich in Luft mit gleichbleibender Geschwindigkeit bewegt, sollte sich das Licht im Äther bewegen. Würde sich also ein Beobachter einer Lichtquelle nähern (seine Position zum Äther also verändern) müsste das Licht (dessen Geschwindigkeit in Relation zum Äther gleich bleibt) mit größerer Geschwindigkeit auf ihn zukommen, als wenn er sich von der Lichtquelle entfernt. Jegliche Versuche, diese Annahme zu beweisen, scheiterten jedoch. Die ermittelte Lichtgeschwindigkeit blieb stets gleich. Dieser Widerspruch verschwand mit der Relativitätstheorie.

Welche Auswirkung hatte Einsteins Idee also auf die Vorstellung der Zeit?

Fassen wir noch einmal zusammen:

Für Newton (und alle anderen auch) gab es eine absolute Zeit. Die Geschwindigkeit des Lichtes errechnet sich aus der Entfernung, die es in einer bestimmten Zeit zurücklegt. So wie die Geschwindigkeit eines Autos in zurückgelegten Kilometern pro Stunde errechnet wird. Verschiedene Beobachter betrachten nun einen Lichtimpuls, der von einem Ort zum anderen geschickt wird. Nach Newton ermittelt jeder Beobachter die selbe Zeit, die der Lichtstrahl benötigt hat (denn die Zeit ist absolut), aber eine unterschiedliche Länge des zurückgelegten Weges (denn der Raum ist nicht absolut).

Geschwindigkeit = zurückgelegter Weg : Zeit

oder

Zeit = zurückgelegter Weg : Geschwindigkeit

Nach Einstein aber ist die Lichtgeschwindigkeit die Konstante. Jeder Beobachter misst also die selbe Geschwindigkeit, unabhängig davon, ob das Licht nun einen Meter oder 100 Kilometer zurücklegt. Die dafür benötigte Zeit berechnet sich nun aus der Strecke (ein Meter oder 100 Kilometer) geteilt durch die Lichtgeschwindigkeit (in beiden Fällen gleich). Dadurch ergeben sich verschiedene Werte für die Zeit! Jeder Beobachter hat seine eigene Uhrzeit, je nachdem wo im Raum er sich befindet.

Spätestens an dieser Stelle wird dem Normalsterblichen leicht schwindelig. Man hört auf, darüber nachzudenken und tröstet sich damit, dass Einstein eben genial war. So bemerkte Charlie Chaplin denn auch einmal treffend zu Einstein: „Mir applaudieren die Leute, weil mich alle verstehen, und Ihnen, weil niemand Sie versteht.“

Raum und Zeit wurden zu Kaugummi

Was folgt aus der Relativitätstheorie?

In seiner erweiterten allgemeinen Relativitätstheorie nahm Einstein an, die Raumzeit sei nicht eben, sondern vielmehr gekrümmt. Gerne wird dies anschaulich an einem gespannten Gummituch erklärt. Wird ein schwerer Gegenstand – etwa eine Wassermelone – in die Mitte dieses Gummituches gelegt, dellt sie das Tuch durch ihr Gewicht ein. Auf die gleiche Weise dellt ein schwerer Planet oder ein Stern die Raumzeit durch sein Gewicht ein. Rollt nun ein Tischtennisball über das Gummituch, wird seine Bahn eine Kurve an der eingedellten Stelle beschreiben – ebenso wie eine Rakete, die an einem Planeten vorbei fliegt, aus ihrer Bahn abgelenkt wird. Ist die Geschwindigkeit des Tischtennisballs zu gering, so rollt er geradewegs auf die Wassermelone zu, er „fällt“ auf den Planeten. Gravitation ist also nichts anderes als die „Krümmung“ der Raum-Zeit durch die in ihr enthaltenen Massen.

Ein beliebtes Szenarium, dass sich aus dieser Vorstellung ergibt, ist das sogenannte Zwillingsparadoxon. Nehmen wir einmal an, die Raumfahrt wäre so weit fortgeschritten, dass folgende Vorstellung möglich wäre: Einer der Zwillinge unternimmt eine lange Reise in einem Raumschiff, das sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegt, während der andere Zwilling auf der Erde zurückbleibt. Nach der Rückkehr des Raumschiffes ist der reiselustige Zwilling viel jünger als sein Bruder, der auf der Erde geblieben ist. Ein Gedanke, der im ersten Moment im Gegensatz zum gesunden Menschenverstand zu stehen scheint.

Nach Einsteins Tod konnte diese theoretische Annahme tatsächlich im Experiment nachgewiesen werden. Eine Hochpräzisionsuhr wurde in einem Flugzeug um die Erde geschickt. Tatsächlich verging auf der Uhr im Flugzeug weniger Zeit als auf einer Vergleichsuhr (dem Zwilling), die auf der Erde zurückgeblieben war.

Doch abgesehen von solchen Überlegungen, die eher von theoretischem Interesse sind, wirken andere Folgen der Relativitätstheorie in viel größerem Maße auf die Menschheit. So folgt aus ihr die wohl berühmteste Formel der Welt: E = mc². Diese kurze Formel sollte die Menschheit direkt beeinflussen, stellt sie doch das Rezept zur Nutzung der Kernenergie dar und damit zum Bau der Atombombe.

Relativitätsrummel

Eine Sonnenfinsternis bringt den Beweis

Während sich der Mond langsam vor die Sonne schiebt, beobachtet ein britisches Forscherteam gebannt den Himmel. Die Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 in Westafrika steht kurz vor der totalen Eklipse. Den Forschern geht es nicht nur um das beeindruckende Naturschauspiel. Sie versuchen, Einsteins Relativitätstheorie zu beweisen.

Bereits vier Jahre zuvor hatte Albert Einstein vorausgesagt, dass die Masse der Sonne die Bahn des vorbeilaufenden Lichtes krümmt. Gelangt also das Licht eines weiter entfernten Sternes in die Nähe der Sonne, sollte es theoretisch von dieser abgelenkt werden. Ein experimenteller Nachweis dieses Phänomens wäre somit die Bestätigung für die Richtigkeit von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie gewesen. Doch zu der Zeit war die Menschheit eher mit dem ersten Weltkrieg als mit physikalischen Problemen beschäftigt.

Nach dem Krieg mussten die Forscher dann erst auf die nächste Sonnenfinsternis warten. Denn unter normalen Bedingungen ist das Licht der Sonne viel zu hell, als dass die Ablenkung von Lichtstrahlen in unmittelbarer Nähe beobachtet werden könnte. Die während der Eklipse belichteten Fotoplatten schienen Einsteins Hypothese tatsächlich zu bestätigen. Die Theorie eines Deutschen wurde also durch britische Wissenschaftler bewiesen – ein symbolträchtiges Ereignis, so kurz nach dem Krieg. Erst bei späteren Überprüfungen zeigte sich, dass die Messfehler bei diesem Experiment ebenso groß waren, wie die gezeigte Ablenkung. Inzwischen konnte Einsteins Theorie jedoch exakt bestätigt werden.

1919 aber galt die Relativitätstheorie allgemein als bewiesen und Einstein wurde gefeiert wie ein Popstar. Die Zeitungen überschlugen sich förmlich vor Begeisterung. In der „New York Times“ prangte die Schlagzeile: „Lichter am Himmel alle schief – Einsteins Theorie triumphiert“. „Revolution in der Wissenschaft – Einstein gegen Newton“ jubelte die „Times“ und stellte die Relativitätstheorie ihren Lesern als „eine der bedeutendsten, wenn nicht die bedeutendste, Aussage menschlicher Gedanken“ vor.

Auch in Deutschland begann man nun, den hauseigenen Wissenschaftler als Star zu sehen. „Eine neue Größe der Weltgeschichte“ steht am 14. Dezember unter dem Titelfoto der „Berliner Illustrierte Zeitung“, das Einstein mit nachdenklichem Blick zeigt. So positiv sollte die öffentliche Meinung in Deutschland dem jüdischen Physiker gegenüber nicht mehr lange bleiben.

„Relativitätsrummel“ nannte Einstein selber die ganze Aufregung um seine Theorie, die ohnehin vom Großteil der begeisterten Bevölkerung nicht verstanden wurde. Bald nutzte er seine Popularität, um sich politisch zu engagieren. Dass seine Worte großes Gewicht hatten, zeigt die Tatsache, dass auf einen Brief Einsteins an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt hin die USA mit dem Bau einer Atombombe starteten.

Wofür Beamte neben der Arbeit noch Zeit haben

Den Nobelpreis gab es nicht für E = mc²

Band 17 der renommierten Fachzeitschrift „Annalen der Physik“ im Jahre 1905 war kein gewöhnlicher Band. Vielmehr enthielt die Ausgabe einen Artikel mit dem zunächst wenig Aufmerksamkeit erzeugenden Titel: „Über einen die Erzeugung und Verwandlung von Licht betreffenden heuristischen Gesichtspunkt“. Noch ahnte niemand, dass der Verfasser – ein Beamter im Patentamt – für diesen Artikel 16 Jahre später den Nobelpreis erhalten würde.

1905 war überhaupt ein äußerst produktives Jahr für Einstein. Innerhalb kürzester Zeit verfasste er mehrere Arbeiten, von denen jede einzelne einem Wissenschaftler zu Weltruhm hätten verhelfen können. Trotzdem treten hinter der populären Relativitätstheorie Einsteins übrige Werke oft genug in den Hintergrund.

Was Einstein noch so machte

Die „Theorie der Brownschen Bewegung“ umfasst eine Erklärung für die Bewegung kleinster Teilchen in einer Flüssigkeit. Einstein erkannte, dass diese Molekularbewegung durch Stöße der sie umgebenen Atome und Moleküle verursacht wird. Sein zweiter Artikel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“ beinhaltet die Spezielle Relativitätstheorie, die er später zu der bekannten sogenannten Allgemeinen Relativitätstheorie erweiterte.

Die dritte Arbeit befasst sich mit Lichtquanten. Einstein erweiterte hier die Quantenhypothese von Max Planck, welche besagt, dass Wellen wie Licht und Röntgenstrahlen nur in bestimmten Paketen, den sogenannten Quanten, abgegeben werden können. Einstein dehnte diese Idee auf die Hypothese von Lichtquanten aus, indem er vermutete, dass bei niedrigen Temperaturen und kleiner Wellenlänge die Vorstellung von unabhängigen Lichteinheiten (Photonen) angemessen sei. Bis dahin wurde Licht allgemein als Welle betrachtet und nun sollte es sich unter bestimmten Umständen verhalten, als ob es aus Teilchen bestehe? Kein Wunder, dass diese gewagte Hypothese zunächst auf Ablehnung stieß.

Übers Ziel hinausgeschossen?

Max Planck lehnte diese Vorstellung noch acht Jahre später ab. Dennoch bemühte er sich, Einstein zum Mitglied in der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu gewinnen und setzte sich für ihn ein. Als Entschuldigung für die seiner Meinung nach falsche Hypothese sagt Planck: „Daß er in seinen Spekulationen gelegentlich auch einmal über das Ziel hinausgeschossen haben mag, wie z. B. in seiner Hypothese der Lichtquanten, wird man ihm nicht allzu sehr anrechnen dürfen. Denn ohne einmal ein Risiko zu wagen, läßt sich auch in der exaktesten Wissenschaft keine wirkliche Neuerung einführen.“

Erst 1914 kam mit den Arbeiten von Nils Bohr und der Möglichkeit, die Frequenzen der Spektrallinien genau zu berechnen, die allgemeine Anerkennung von Einsteins Lichtquantenhypothese. 1921 griff dann das Nobelkomitee auf diese Arbeit zurück und verlieh Albert Einstein den Nobelpreis für Physik für seinen Beitrag zur Quantentheorie – und nicht für das E = mc², das auf jedem zweiten Einstein-Poster verewigt ist.

Im Kampf mit der blonden Bestie

Politik, Barbarien und Aufrufe zum Mord

Spätestens als Albert Einstein offene Aufrufe zum Mord an seiner Person in der Zeitung las, muss ihm klar gewesen sein, dass er Deutschland den Rücken kehren würde. Die „Staatsbürger Zeitung“ verkündete damals: „Zur Liga gehören u. a. Professor Einstein … Wir würden jeden Deutschen, der diese Schufte niederschießt, für einen Wohltäter des deutschen Volkes halten.“

Im antisemitisch geprägten Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg war es für Einstein sicher nicht förderlich, dass er Jude war. Dazu kam dann noch die Tatsache, dass er – im Gegensatz zu den meisten anderen Wissenschaftlern seiner Zeit – ein starkes politisches Engagement zeigte. Sein ganzes Leben lang war er „hin und her gerissen zwischen Politik und Gleichungen“.

Zu naiv für die Politik

Die Politik beeinflusste auch Einsteins Verhältnis zum Judentum. Hatte er sich noch mit 16 Jahren als konfessionslos bezeichnet und von Gott oft als dem „Alten“ gesprochen, identifizierte er sich während seiner Zeit in Berlin mehr und mehr mit dem Judentum. Vor allem das Selbstbewusstsein und eine Solidarität unter Juden waren ihm wichtig. Diese Ansichten machten die zionistische Bewegung auf Einstein aufmerksam. Diese seit 1897 bestehende Bewegung verfolgte das Ziel der Gründung eines unabhängigen jüdischen Staates. Einsteins großes Engagement führte 1952 schließlich dazu, dass ihm die Präsidentschaft Israels angeboten wurde. Eine Ehre, die der Physiker mit der Begründung ablehnte, er sei zu naiv für die Politik.

Davon ahnte Einstein natürlich noch nichts, als zu seinen Berliner Zeiten die „abscheuliche Relativitätslehre“ als „schreckliche Missgeburt“ und „verarmtes Kunstgebilde“ abgetan wurde. Es erschien sogar ein Buch mit dem Titel „100 Autoren gegen Einstein“. Ein Mann, der der Anstiftung zum Mord an Einstein angeklagt wurde, kam mit einer Geldstrafe davon. Andererseits galt er mit steigender Popularität zunehmend als „Kulturfaktor ersten Ranges“, der Deutschland im Ausland repräsentieren und sich herum zeigen lassen musste „wie ein prämierter Ochse“.

Einstein kehrt „Barbarien“ den Rücken

Zu Beginn des Jahres 1933 – Hitler war gerade an die Macht gekommen – äußerte sich Einstein in den USA kritisch über die neue deutsche Regierung. Kurz darauf legte er seine Stellung bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften nieder. Unter den anderen Berliner Wissenschaftlern, zu denen auch Max Planck, Lise Meitner und Otto Hahn gehörten, erhob sich keine Stimme zu Einsteins Gunsten. Max von Laue schrieb ihm später noch vorwurfsvoll: „Aber warum musstest Du auch politisch hervortreten!“ Auch die Berliner Tageszeitung zeigte wenig Bedauern: „Gute Nachrichten von Einstein – er kommt nicht zurück.“

In den nächsten Jahren verließen zahlreiche weitere bedeutende Wissenschaftler das Land, das Einstein später oft als „Barbarien“ bezeichnete. Neben dem Problem der Abwanderung führten eine mangelhafte finanzielle Förderung, eine theorienfeindliche Ideologie sowie ein politisch geförderter Rückgang der Studentenzahlen dazu, dass die Forschung in Deutschland über lange Zeit elementar behindert blieb.

Einsteins Erlebnisse im nationalsozialistischen Deutschland machen begreiflich, dass er sich als Pazifist für den Bau einer amerikanischen Atombombe einsetzte. Die Vorstellung, Hitler könne eines Tages im alleinigen Besitz einer solchen Waffe sein, jagte mit Sicherheit nicht nur Albert Einstein Angst ein.

Als 330.000 Menschen starben

Eine Gleichung mit Konsequenzen

Als die Bewohner Hiroshimas am Morgen des 6. August 1945 – nur wenige Sekunden vor der Vernichtung ihrer Heimatstadt – in den grellen Blitz der Atombombe blickten, wussten sie nicht, dass die Ursache der Detonation in dem Verschwinden von weniger als einem Gramm Materie bestand. Auch Albert Einstein ahnte noch nichts von den Auswirkungen, als er Jahrzehnte zuvor die Formel niederschrieb, welche die theoretische Grundlage für diese Katastrophe bildete:

E = mc²

Diese populäre Formel wird oft zitiert, aber vergleichsweise selten erklärt. Im Grunde besagt sie, wieviel Energie man maximal von einer beliebigen Masse erhalten würde, wenn man diese vollständig in Energie umwandeln könnte. Würde dies tatsächlich ohne Verluste gelingen, könnte man mit nur ein paar Tonnen Materie die gesamte Erde über Jahre hinweg mit Energie versorgen. Eine unglaubliche Vorstellung – kein Wunder, dass anfangs niemand Einsteins Gleichung Glauben schenken wollte.

Traurige Berühmtheit erreichte die Formel dann auch nicht durch die Abschaffung sämtlicher Energiesorgen der Menschheit (obwohl ohne sie auch niemals die friedliche Nutzung von Kernenergie möglich gewesen wäre), sondern durch den Bau der ersten Atombombe. Dass Atombomben irgendwas mit Radioaktivität und Uran zu tun haben, weiß jeder. Aber wie konnte Einsteins Formel bei der Entwicklung dieser Waffe helfen?

Der Massendefekt

Die Grundlage der Atombombe bildet der sogenannte Massendefekt. Dieser Vorgang wurde zunächst an miteinander reagierenden Wasserstoffatomen beobachtet. Verschmelzen vier Wasserstoffatome zu einem Heliumkern, so ist dieser ein wenig leichter als die vier Ausgangsatome, er besitzt eine etwas geringere Masse. Diese Masse kann nicht einfach spurlos verschwunden sein, sie wurde vielmehr in Energie umgewandelt. Bei der Verschmelzung von vier Wasserstoffatomen entstehen also Energie und Helium.

Auf diesen Energie freisetzenden Massendefekt hoffte man auch bei den radioaktiven Elementen. Diese zerfallen spontan, indem sie beispielsweise Protonen und Neutronen aus ihren Atomkernen freisetzen. Anstatt einer Fusion von vier einzelnen Atomkernen zu einem Kern (Wasserstoff wird zu Helium), hofften die Wissenschaftler, mit den umgekehrten Fall einer Kernspaltung ebenfalls Energie zu erzeugen.

Berechnungen zeigten, dass die Summe der Spaltprodukte eines sehr schweren Elementes um einen kleinen Betrag an Materie kleiner wäre, als der ungespaltene Kern. Dieser Massendefekt müsste also ebenfalls durch freigesetzte Energie ausgeglichen werden.

Das Problem bestand für die Forscher nun darin, Neutronen zu erzeugen, die durch einen Aufprall auf den Atomkern die Kernspaltung auslösen würden. Dazu benötigte man Teilchenbeschleuniger, die einen riesigen Energieaufwand verlangten. Durch über eine Milliarde Geschosse auf ein Berylliumatom im Teilchenbeschleuniger lösten sich gerade mal einige wenige Neutronen aus dem Kern. Dieses Problem umschrieb Einstein einmal so: „Wir sind in der Situation von miserablen Schützen, die in tiefer Dunkelheit in einem Gebiet auf Vögel schießen, in dem es nur sehr wenige Vögel gibt.“

Otto Hahn und die Kettenreaktion

Dieses Rätsel löste schließlich Otto Hahn, indem er eine Kettenreaktion voraussagte. Experimente hatten gezeigt, dass bei der Spaltung eines Urankerns zwei bis drei Neutronen frei werden. Diese Neutronen sollten nun ihrerseits weitere Urankerne spalten können, wodurch erneut Neutronen frei würden, die nun wieder Kerne spalten usw. Theoretisch würde also ein einziges von außen zugeführtes Neutron genügen, um diese Kettenreaktion durch die Spaltung des ersten Kerns auszulösen.

Die theoretischen Grundlagen zum Bau der Atombombe waren nun gegeben. Jetzt kam es darauf an, welche Nation diese Waffe zuerst in der Hand hätte.

Das gute Gewissen eines Handwerkers

Welche Schuld trifft Einstein am Bau der Atombombe?

„Oh weh“, soll Einstein lediglich gesagt haben, als er aus dem Radio vom dem Abwurf einer Atombombe auf Hiroshima erfuhr. Was in diesem Moment in dem überzeugten Pazifisten vorging, der einen entscheidenden Beitrag bei der Entwicklung dieser Waffe geleistet hatte, bleibt zwar ungewiss, ist aber vorstellbar.

Wie steht es nun mit Einsteins Schuld am Massensterben in Hiroshima und Nagasaki? Dass er mit seiner Relativitätstheorie und der daraus entstehenden Massengleichung einen theoretischen Grundstein zur Entwicklung der Waffe geleistet hatte, kann man ihm schlecht vorwerfen. Auch war er nicht direkt am Bau der Bombe beteiligt. Ein Brief an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Franklin Roosevelt, beweist aber, dass Einstein bei der Entwicklung der Atombombe nicht bloß unbeteiligter Zuschauer war…

Welche Geister er mit seiner Gleichung E = mc² gerufen hatte, wurde Albert Einstein erst im Juli 1939 klar. „Daran hatte ich nicht gedacht,“ entfährt es ihm, als ihm die ungarischen Physiker Szilard und Wigner von der Möglichkeit der Spaltung des Urankerns und den sich daraus ergebenen Konsequenzen informieren. Verständlicherweise muss es für Einstein eine erschreckende Vorstellung gewesen sein, Hitler könne als Erster in den Besitz dieser vernichtenden Waffe gelangen.

So unterzeichnete Einstein kurz darauf den berühmten Brief an Präsident Roosevelt, in dem er ihn auf die Möglichkeit der Herstellung einer Atombombe aufmerksam machte. Ferner empfahl dieser Brief der Regierung der USA, in die Atomforschung zu investieren. Sicherlich war Einsteins Popularität ein maßgeblicher Faktor, der bewirkte, dass Roosevelt und seine Berater das Schreiben überhaupt ernst nahmen. Später versuchte Einstein, seine Rolle am Bau einer amerikanischen Atombombe zu relativieren: „Ich habe nur als Briefkasten gedient. Man hat mir einen fertigen Brief gebracht, und ich habe bloß unterschrieben.“ Später wurde allerdings in Einsteins Nachlass eine Vorversion des Briefes gefunden, an der er zumindest mitgeschrieben hatte.

Um 05:30 Uhr wurde dann am 16. Juli 1945 die erste Atombombe der Welt auf den Trinity-Testgelände in New Mexico gezündet. Dank großzügiger finanzieller und personeller Unterstützung hatte das sogenannte Manhatten-Projekt unter der Leitung von Julius Robert Oppenheimer zum Erfolg geführt. Die Sprengkraft der Bombe, die auf 20.000 Tonnen TNT geschätzt wurde, übertraf selbst die optimistischsten Erwartungen. Die Bombe verdampfte einen Stahlturm und hinterließ einen Krater von 400 Metern Durchmesser. „Der Krieg ist aus!“, da war man sich ganz sicher.

Albert Einstein war an der Entwicklung der Bombe in New Mexico nicht beteiligt gewesen – als Kommunistenfreund galt er als politisch unzuverlässig.

Die deutschen Forscher unter der Leitung von Werner Heisenberg waren zu diesem Zeitpunkt noch weit davon entfernt, eine funktionierende Bombe herzustellen. Seinen Brief an Roosevelt sollte Einstein mit folgenden Worten bedauern: „Wenn ich gewusst hätte, dass die Deutschen nicht mit Aussicht auf Erfolg an der Atomwaffe arbeiten, hätte ich nichts für die Bombe getan. … Ich beging einen großen Fehler als ich den Brief an Präsident Roosevelt unterschrieb, in dem ich die Herstellung der Atombombe empfahl.“ Oder, vielleicht noch eindeutiger: „Wenn ich wiedergeboren werde, werde ich Handwerker!“