Handschrift fördert die Verknüpfung von Hirnarealen
Stift statt Tastatur: Wer von Hand schreibt, trainiert sein Gehirn effektiver als jemand, der auf einer Computer-Tastatur tippt, wie eine neue Studie bestätigt. Demnach bilden sich in unserem Gehirn mehr neuronale Verknüpfungen, wenn wir einen Stift benutzen, statt zu tippen. Schülerinnen und Schüler sollten daher für einen besseren Lernerfolg häufiger handschriftliche Texte verfassen, empfehlen die Forschenden.
Digitale Geräte ersetzen in unserer Gesellschaft zunehmend Stift und Papier. Auch in Schulen und Universitäten wird das handschriftliche Anfertigen von Notizen oder gar längeren Texten immer seltener. Stattdessen tippen selbst junge Schülerinnen und Schüler ihre Arbeiten nun in der Regel auf einer Tastatur. Denn das geht oft deutlich schneller als das Schreiben mit der Hand.
Studien belegen jedoch, dass handschriftliches Arbeiten zu weniger Rechtschreibfehlern führt und sich die Schreibenden dabei besser an die Inhalte erinnern, als wenn sie den Text tippen. Warum das so ist, war jedoch bislang unklar. Eine mögliche Erklärung wäre, dass sich beim Schreiben von Hand mehr Synapsen im Gehirn ausbilden als beim Tippen.
Was passiert beim Schreiben im Gehirn?
Ob der Prozess der Buchstabenbildung per Hand tatsächlich zu einer besseren Gehirnkonnektivität führt, haben nun zwei Neurowissenschaftler untersucht. Ruud van der Weel und Audrey van der Meer von der Norwegischen Universität für Naturwissenschaften und Technologie (NTNU) in Trondheim analysierten die neuronalen Netze, die an beiden Schreibweisen beteiligt sind.
Dafür nahmen sie mit einem EEG-Gerät die Gehirnsignale von 35 Studierenden auf, während diese vorgegebene Wörter schrieben oder tippten. Beim Schreiben verwendeten die Testpersonen einen digitalen Stift und ein Touchscreen sowie Schreibschrift, beim Tippen nur einen Finger und eine gängige Tastatur. Alle Testpersonen waren Rechtshänder.
Bessere Verknüpfung beim Schreiben von Hand
Bei der Auswertung zeigte sich: Verschiedene Schaltzentren in der Mitte und an der Seite des Gehirns verknüpften sich tatsächlich stärker, wenn die Teilnehmenden mit der Hand schrieben. Wenn sie tippten, war dies hingegen nicht der Fall. „Wir zeigen, dass beim Schreiben mit der Hand die Konnektivitätsmuster des Gehirns weitaus ausgefeilter sind als beim Schreiben mit der Maschine auf einer Tastatur“, sagt van der Meer. Die betroffenen Hirnregionen seien bekanntermaßen an den kognitiven Prozessen des Sehens und Erkennens, der Sprachbildung und der Bewegung beteiligt, berichten die Forschenden.
Eine solch umfassende Verknüpfung der Neuronen im Gehirn sei entscheidend dafür, sich Inhalte und Muster zu merken und neue Informationen abzuspeichern, ergänzt van der Meer. Die Handschrift sei daher für das Lernen klar von Vorteil. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass visuelle und Bewegungs-Informationen, die durch präzise kontrollierte Handbewegungen bei der Verwendung eines Stifts gewonnen werden, erheblich zu den Verbindungsmustern des Gehirns beitragen, die das Lernen fördern.“
Erkenntnisse gelten auch für Papier und Druckschrift
Obwohl die Testpersonen digitale Stifte zum Schreiben mit der Hand verwendeten, wären die Ergebnisse voraussichtlich die gleichen, wenn sie einen analogen Stift auf Papier verwenden würden, so die Forschenden. Denn frühere Studien hatten keinen Unterschied zwischen den Stifttypen ergeben. „Die verbesserte Gehirnaktivität kommt durch die sorgfältige Bildung der Buchstaben beim Schreiben mit der Hand und die gleichzeitige stärkere Nutzung der Sinne zustande“, erklärt van der Meer. Das gelte für jede Art von Stift.
Da es die Bewegung der Finger beim Formen von Buchstaben ist, die die Gehirnkonnektivität fördert, dürfte zudem auch das Schreiben in Druckschrift ähnliche Vorteile für das Lernen haben wie das Schreiben in Schreibschrift, so die Forschenden. Dazu passen auch frühere Studien, wonach das Nachzeichnen von Buchstaben mit dem Finger das Lernen fördert. Chinesische Kinder erlernen zudem die komplexen Schriftzeichen besser durch handschriftliches Üben.
Handschrift ist eine prägende körperliche Erfahrung
Im Gegensatz dazu ist die einfache Bewegung, wiederholt mit demselben Finger eine Taste zu drücken, weniger stimulierend für das Gehirn, wie die beiden Neurowissenschaftler berichten. „Das erklärt auch, warum Kinder, die das Schreiben und Lesen auf einem Tablet gelernt haben, Schwierigkeiten haben können, spiegelbildliche Buchstaben wie ‚b‘ und ‚d‘ voneinander zu unterscheiden: Sie haben mit ihrem Körper buchstäblich nicht gespürt, wie es sich anfühlt, diese Buchstaben zu produzieren“, sagt van der Meer.
Nach Ansicht der Forschenden haben ihre Ergebnisse direkte Relevanz für den Schulunterricht: Schulkinder sollten demnach im Unterricht die Möglichkeit erhalten, Stifte zu verwenden. Entsprechende Richtlinien müssten daher sicherstellen, dass gerade junge Schülerinnen und Schüler zumindest ein Minimum an Handschriftunterricht erhalten, so die Neurowissenschaftler.
Handschriftliche Notizen, getippte Hausarbeiten
Doch die Studie ist kein Anlass, digitale Geräte gänzlich zu verbannen. Es bleibe wichtig, mit dem technologischen Fortschritt Schritt zu halten, betonen van der Meer und van der Weel. Je nach Situation könne die eine oder die andere Schreibweise mehr Vorteile bieten. Dessen sollten sich Lehrkräfte und Lernende bewusst sein.
„Es gibt Hinweise darauf, dass Studierende mehr lernen und sich besser erinnern, wenn sie handschriftliche Vorlesungsnotizen anfertigen. Beim Schreiben eines langen Textes oder Aufsatzes kann jedoch die Verwendung eines Computers mit Tastatur praktischer sein“, schließt van der Meer. (Frontiers in Psychology, 2024; doi: 10.3389/fpsyg.2023.1219945)
Quelle: Frontiers