Nanopartikel-Belastung stört Funktion der Plazenta und Gefäßbildung beim Embryo
Plazentale Fernwirkung: Nanopartikel können die Entwicklung von Kindern im Mutterleib stören, ohne dass sie direkt im Embryo präsent sind, wie nun eine Studie enthüllt. Demnach verändert die Anreicherung von Titandioxid, Feinstaub oder Ruß in der Plazenta den von ihr freigesetzten Botenstoff-Cocktail. Dadurch wird unter anderem die Gefäßentwicklung des Embryos beeinträchtigt. Weitere indirekten Folgen seien möglich, berichten die Forschenden in „Advanced Science“.
Wir atmen sie ein, nehmen sie mit Nahrung auf oder mit dem Trinkwasser: Nanopartikel wie Titandioxid, Dieselruß oder Nanoplastik gelangen auf verschiedenen Wegen in unseren Körper. Welche Folgen dies hat, ist jedoch erst in Teilen geklärt. So belegen Studien bereits, dass Nanopartikel wegen ihrer geringen Größe in unsere Organe, Gewebe und Zellen eindringen und dort Schäden verursachen können. Selbst im Gehirn wurden Feinstaub-Partikel bereits nachgewiesen.
Wie gut schützt die Plazentaschranke?
Unklar ist jedoch bisher, wie sich die Nanopartikel auf ungeborene Kinder im Mutterleib auswirken. Tierversuche legen zwar nahe, dass eine hohe vorgeburtliche Belastung mit solchen Teilchen die Entwicklung des Embryos beeinträchtigen und ein geringes Geburtsgewicht, Autismus und Atemwegserkrankungen verursachen könnten. Doch über welche Mechanismen dies geschieht, ist unklar – auch, weil manche Schäden auftreten, ohne dass die Nanopartikel direkt im Gewebe des Ungeborenen nacheisbar sind.
„Wir wissen bereits, dass die Plazentaschranke viele Nanopartikel zurückhält oder deren Transport zum Embryo zumindest verzögert“, erklärt Seniorautorin Tina Bürki-Thurnherr von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. Wie sich die Anreicherung von Nanopartikeln in der Plazenta auf die Funktion dieses für die fötale Ernährung und Gesundheit so wichtigen Organs auswirkt, haben Bürki, Erstautorin Battuja Dugershaw-Kurzerürich und ihre Kollegen nun untersucht.
Veränderter Botenstoff-Cocktail der Plazenta
Für ihre Tests nutzte das Team voll funktionsfähige menschliche Plazenten, die nach Kaiserschnitten zur Verfügung gestellt wurden. „Nur dank menschlichem Plazentagewebe lassen sich aussagekräftige Resultate zum Transport und der Wirkung von Nanopartikeln ermitteln“, sagt Bürki. Sie und ihr Team setzten die Plazentaproben verschiedenen Dosen von Titandioxid, Siliziumdioxid und Dieselruß aus und analysierten, ob dies die Freisetzung von Botenstoffen und anderen Molekülen aus der Plazenta veränderte.
Und tatsächlich: „Nanopartikel und Dieselruß können weitreichende Störungen des plazentalen Sekretoms hervorrufen, darunter auch die Deregulation von verschiedenen Hormonen, immunwirksamen Cytokinen und Chemokinen sowie von gefäßbildenden Wachstumsfaktoren“, berichtet das Team. Diese Effekte zeigten sich besonders bei den Metalloxid-Nanopartikeln Titandioxid und Siliziumdioxid und in den Plazenten aus frühen Stadien der Schwangerschaft.
Gehemmte Gefäßbildung
Was aber bedeutet dies für den Embryo? Um das zu testen, setzten Dugershaw-Kurzerürich und ihre Kollegen gefäßbildende menschliche Zellen aus Nabelschnurblut den Sekreten aus, die mit Nanopartikeln belastete oder aber unbelastete Plazenta-Proben abgegeben hatten. Es zeigte sich: Die Zellen, die dem Botenstoff-Cocktail der Nanopartikel-belasteten Plazenten ausgesetzt waren, bleiben in ihrer Entwicklung zurück. Sie bildeten signifikant kürzere Adersprosse aus, wie die Forschenden beobachteten.
Ähnliches zeigte sich in einem zweiten Test mit Hühnereiern und den sich darin entwickelnden Embryos. Normalerweise bildet sich in solchen Eiern ein dichtes Netzwerk von feinen Blutgefäßen auf dem Inneren der Eischale. Setzte das Team Hühnereier jedoch dem Botenstoff-Cocktail der belasteten Plazenten aus, blieb dieses Adernetzwerk löcherig und grobmaschig. Die von den Nanopartikeln verursachten Störungen der Plazenta-Botenstoffe wirken sich demnach auf die Gefäßbildung des Embryos aus.
Nanopartikel schaden auch indirekt
Nach Ansicht des Forschungsteams belegt dies, dass Nanopartikel dem Fötus selbst dann schaden können, wenn sie nicht direkt bis zu ihm vordringen. „Nanopartikel wirken offenbar indirekt auf das Kind im Mutterleib ein, indem sie die Bildung von Blutgefäßen über Botenstoffe hemmen“, erklärt Bürki. Welche weiteren Störungen die Nanopartikel indirekt auslösen können, sollen nun kommende Analysen zeigen.
„Eine gesunde Plazenta ist für die Entwicklung des Kindes von immenser Bedeutung. Daher sind korrekte Risikobewertungen von Umweltbelastungen für Schwangere entscheidend“, sagt Co-Autor Thomas Rduch von der Frauenklinik des Kantonsspitals St. Gallen. Entsprechend wichtig sei es, die Wirkungen von Nanopartikeln auf die Plazenta und damit indirekt auf den Embryo genauer zu erforschen. (Advanced Science, 2024; doi: 10.1002/advs.202401060)
Quelle: Empa – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt