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Forscher filmen tanzendes Molekül

Forscher filmen tanzendes Molekül

Wissenschaftler haben 651 Einzelbilder zu einem »Film« zusammengesetzt. Er zeigt, wie sich ein einfaches Carbonylsulfid-Molekül um seine eigene Achse dreht.

© DESY, EVANGELOS KARAMATSKOS (AUSSCHNITT)

Seit langem träumen Physiker davon, die extrem flotten Bewegungen von Molekülen zu filmen. Ein Team um Jochen Küpper vom Deutschen Elektron-Synchrotron Desy in Hamburg präsentiert nun ein eindrucksvolles Beispiel für ein solches »Molekül-Kino«. Es zeigt die Drehbewegung von Carbonylsulfid (OCS), das aus einem Sauerstoff- einem Kohlenstoff- und einem Schwefelatom besteht. Die Forscher beschossen dazu wiederholt OCS-Moleküle mit zwei unmittelbar aufeinander folgenden Infrarot-Laserpulsen. Sie brachten jeweils eines der stäbchenförmigen Moleküle in Ausgangsstellung und ließen es eine von der Quantenphysik vorgeschriebene Drehbewegung ausführen. Mit einem weiteren Laserpuls sprengten die Physiker dann die Carbonylsulfid-Verbindung in zwei Teile – und lernten dadurch, wie das Molekül gerade orientiert war. Möglich machte das eine bereits vor Jahren entwickelte Technik, mit der sich die Impulsverteilung von ionisierten Sauerstoffatomen abbilden lässt.

© DESY, EVANGELOS KARAMATSKOS/BRITTA LIEBAUG (AUSSCHNITT)

Drehung eines Carbonylsulfid-Moleküls

Die Gruppe um Küpper wiederholte die Messung immer wieder, sprengte das OCS-Molekül jedoch jeweils etwas später. So lichteten sie jedes Mal einen anderen Zeitpunkt der Drehbewegung ab. Insgesamt nahmen die Forscher auf diese Weise 651 Einzelbilder auf, die zusammengesetzt eineinhalb Drehungen von Caronylsulfid zeigen. Das Molekül benötigte dafür 125 Billionstel Sekunden, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin »Nature Communications«.

Anders als in der uns vertrauten Welt kann man Objekte im Mikrokosmos nicht genau lokalisieren: Laut der berühmten Unschärferelation von Werner Heisenberg lassen sich Ort und Bewegungsrichtung eines Teilchens nicht zur selben Zeit eindeutig bestimmen, Forscher geben daher in der Regel nur Aufenthaltswahrscheinlichkeiten an. Im Video der Forscher werden sie mit unterschiedlich starken Rottönen markiert.

Offen ist, ob man mit dem Verfahren auch komplexere Prozesse im Mikrokosmos beobachten kann: Die Rotation von Carbonylsulfid gilt als eine der einfachsten Dynamiken. Sie lässt sich noch vergleichsweise leicht am Computer simulieren. Andere Molekülbewegungen laufen wesentlich chaotischer ab. Messergebnisse sind deshalb viel schwieriger zu interpretieren, weshalb es hier noch keine vergleichbaren Aufnahmen gibt, trotz intensiver Versuche in den vergangenen Jahren.

© DESY, Evangelos Karamatskos

Molekülkino

Drehung eines Carbonylsulfid-Moleküls: Rote Bereiche markieren die Bereiche, in denen sich die Atome mit hoher Wahrscheinlichkeit befinden. Sie haben dabei stets mehrere Möglichkeiten – die bizarren Gesetze der Quantenphysik machen es möglich.

Robert Gast
Der Autor ist Physiker und Redakteur bei »Spektrum.de« und »Spektrum der Wissenschaft«.

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