Wie kein anderes Zitat verbindet man dieses mit der Philosophie Thomas Hobbes’. Doch wie so oft bei berühmten Aussagen wird auch diese oft missverstanden. Hier eine genauere Betrachtung.
Woher stammt das Zitat?
Anders, als man vielleicht vermuten würde, findet sich der Satz „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ (lateinisch „Homo homini lupus est“) nicht im berühmtesten Werk des Philosophen Thomas Hobbes, dem Leviathan aus dem Jahr 1651, sondern im Widmungsbrief an den Grafen von Devonshire seines 1642 erschienenen und auf Latein verfassten Buches De Cive (Vom Bürger). Nachdem er die römischen Bürgerkriege erwähnt hat, schreibt Hobbes:
„Es besteht kein Zweifel, dass beide Formeln wahr sind: der Mensch ist dem Menschen ein Gott und der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Die erste, wenn wir die Bürger untereinander vergleichen, die zweite, wenn wir die Staaten untereinander vergleichen. Hier erreicht der Mensch durch Gerechtigkeit und Nächstenliebe, die Tugenden des Friedens sind, Gott ähnlich zu werden. Hier müssen selbst die guten Menschen wegen der Verderbtheit der Bösen, wenn sie sich schützen wollen, auf die kriegerischen Tugenden Kraft und List zurückgreifen, d. h. auf die Raubgier der Tiere.“
Wie ist es zu verstehen?
Beginnen wir mit der Feststellung, dass die Formel, für die Hobbes bekannt ist, nicht ursprünglich von ihm stammt. Es ist eine der lateinischen Redewendungen, die von Autor zu Autor durch die Zeiten weitergegeben und kommentiert werden, von Plautus über Plinius den Älteren, Rabelais, Montaigne, Schopenhauer bis hin zu Bergson. Hobbes ist hier also nur eines der Glieder in einer langen Kette von Denkern, die sich mit dieser Formulierung auseinandersetzten. Mal zustimmend, mal kritisch.
Aber was will Hobbes für seine Belange mit diesem Ausdruck bezwecken? Versetzen wir uns in den Kontext der 1640er-Jahre, um zu verstehen, worum es geht. Hobbes verließ England und ging freiwillig ins Exil nach Paris, weil er angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen dem Parlament und König Karl I. erkannte, dass sein Land in einen Bürgerkrieg abgleiten würde. Daher bezieht er sich auf die blutigen römischen Bürgerkriege der Vergangenheit, um die Gefahr, die er ahnt und befürchtet, zu verhindern.
Die Formel hat bei ihm also die Bedeutung einer Warnung, die in seiner Zeit verankert ist. Die Menschen sind zum Schlimmsten fähig, warnt er, obwohl sie auch zum Besten fähig sind. Es ist übrigens bemerkenswert, dass die Formel fast immer verkürzt zitiert wird, da Hobbes sie auf die gleiche Stufe stellt wie das oft vergessene Gegenstück, das das Gegenteil behauptet, nämlich dass „der Mensch dem Menschen ein Gott“ ist. Hobbes zeigt jedoch keine Präferenz für eine der beiden Sichtweisen.
Seiner Meinung nach hängt alles von dem Rahmen ab, in dem sich der Mensch entwickeln soll. Damit die Güte des Menschen, die seiner Natur als Geschöpf Gottes zugrunde liegt, sich voll entfalten kann, bedarf es günstiger politischer Bedingungen: Der Bürger muss wissen, dass er von einer starken und souveränen Macht beschützt wird. Umgekehrt wäre jeder, der sich moralisch verhalten möchte, ohne einen Staat, der alle respektiert, indem er sie gemeinsamen Regeln unterwirft, nur ein ausgewiesenes Opfer oder eine Beute, die der Gier aller anderen ausgesetzt ist, die versucht sind, ihre Straffreiheit zu nutzen.
So stellt Hobbes auf der einen Seite ein friedliches und zivilisiertes gesellschaftliches Leben unter Einhaltung der moralischen und politischen Regeln und auf der anderen Seite ein tierisches Leben einander gegenüber, das seiner Vorstellung von einem hypothetischen „Naturzustand“ entspricht, der von ständiger Feindseligkeit und Misstrauen geprägt ist. Glauben Sie also nicht, dass er uns dazu auffordert, unseren Mitbürgern zu misstrauen, die eine Bedrohung für uns darstellen.