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Marie Curie

Marie Curie

Disziplinierte Forscherin und Ikone der Wissenschaft

von Claudia Krapp

Die Physikerin und Chemikerin Marie Curie ist eine der bekanntesten Wissenschaftlerinnen überhaupt – und bis heute die einzige Frau, die zweimal einen Nobelpreis erhalten hat. Die ehrgeizige Wissenschaftlerin war eine Pionierin in der Erforschung der Radioaktivität und deren Anwendung in der Medizin. Doch was prägte den Menschen Marie Curie? Wie kam sie zu ihrer „strahlenden“ Forschung und welche Hindernisse musste sie dabei überwinden?

Alljährlich in der ersten Oktoberwoche vergibt die Nobelstiftung die Nobelpreise. Unter den 989 bisherigen Preisträgern sind nur fünf Menschen, die diese bedeutendste Auszeichnung der Wissenschaft zweimal erhalten haben. Die erste von ihnen und bis heute einzige Frau mit zwei Nobelpreisen ist die polnisch-französische Wissenschaftlerin Marie Curie. Wer war diese besondere Frau und was zeichnete sie aus? Ein Blick auf ihre Arbeit und ihr Leben.

Wer war Marie Curie?

Hart erkämpfte Erfolge

Marie Curies Leben begann in Polen, das zu der Zeit Teil des Russischen Reichs und von Russen besetzt war. Am 7. November 1867 wurde sie unter dem Namen Maria Sklodowska in Warschau geboren. Ihr Vater Wladislaw war ein Mathematik- und Physiklehrer, ihre Mutter Marianna Bronislawa leitete eine Mädchenschule. Beiden war Bildung sehr wichtig, so lernte Maria bereits mit vier Jahren lesen und schreiben und hatte wie ihre Geschwister Zugang zu den Büchern ihrer Eltern, die damit den Grundstein für ihre Wissbegier legten.

Als jüngstes von fünf Kindern wuchs Maria jedoch in ärmlichen Verhältnissen auf. Das Leben im damaligen Polen war hart und versprach unter der russischen Herrschaft keine großen Freiheiten oder individuellen Entwicklungsmöglichkeiten. Ihre Mutter und ihre älteste Schwester verlor Maria bereits in jungen Jahren, sie starben an Tuberkulose beziehungsweise Typhus.
Als gute Schülerin erkämpfte sich Maria dennoch ein besseres Leben: In Warschau besuchte Maria Sklodowska ein öffentliches Mädchengymnasium, das sie 1883 als 15-Jährige mit dem besten Abiturzeugnis ihrer Klasse verließ. Sie verfügte damit über weit mehr Bildung als die meisten Mädchen zu ihrer Zeit. Trotz der Einrichtung von Mädchenschulen legte die Gesellschaft damals deutlich mehr Wert auf die Ausbildung von Jungen. Entsprechend war ein Studium in Polen für Frauen noch unmöglich.

Der Traum vom Studium in Frankreich

In den darauffolgenden Jahren arbeitete Maria, die eigentlich von einem Studium träumte, daher als Hauslehrerin, Gouvernante und Erzieherin in einer reichen Gutsbesitzerfamilie, vor allem für die Fächer Physik und Mathematik. Mit dem Lohn finanzierte sie ihrer Schwester Bronia deren Medizinstudium, für das diese nach Frankreich gezogen war, wo Frauen bereits seit 1863 studieren durften. Zugleich sparte Maria für ein eigenes Studium im Ausland.

Mit ihrem Vater führte sie in dieser Zeit auch privat physikalische Experimente durch und trat der sogenannten „Fliegenden Universität“ bei, die seit 1883 in geheimen Laboren an wechselnden Orten in Polen Studien durchführte und soziale wie naturwissenschaftliche Themen diskutierte – ein Konzept der polnischen Intellektuellen, um durch eigene Bildung der Russifizierung im Land entgegenzuwirken. Bei dieser Betätigung begeisterte sich Maria zunehmend für die naturwissenschaftliche Forschung.

Studium der Physik und Mathematik in Paris

1891, mit knapp 24 Jahren, folgte Maria schließlich ihrer Schwester nach Paris, wo sie an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Sorbonne ein Physik- und Mathematikstudium begann. Ihr Erspartes reichte gerade für die Fahrt und die Immatrikulation, finanziell unterstützt wurde sie bei ihrem Studium von Bronia und später durch ein Stipendium.

Marie Curie als Studentin
1891 kommt Marie Curie in Paris an, um an der Sorbonne zu studieren.© Gemeinfrei

Anders als in Polen waren in Frankreich zu dieser Zeit Frauen an der Universität zugelassen. Dennoch waren Studentinnen deutlich in der Minderheit und hatten es in dieser Männerdomäne nicht leicht. In Paris war Marie, wie sie sich dort nannte, eine von rund 200 Frauen unter 9.000 Studierenden. Hinzu kam für sie die anfängliche Sprachbarriere des Französischen.

Unbeirrt davon absolvierte Marie ihr Studium äußerst diszipliniert und ehrgeizig, verbrachte viel Zeit in der Bibliothek und schloss ihr Diplom in Physik 1893 als erste Frau und Beste ihres Jahrgangs ab. Mitte 1894 erreichte sie zudem das zweitbeste Diplom in Mathematik. Nach dem Studium bemühte sich Marie um eine Anstellung an der Jagiellonen-Universität im polnischen Krakau, wurde jedoch abgelehnt, weil sie eine Frau war. Erst ein Jahr später ließ diese Uni die ersten Studentinnen zu.

Marie kehrte daraufhin ernüchtert nach Paris zurück, wo sie als Wissenschaftlerin arbeiteten konnte. 1896 bestand sie außerdem das Staatsexamen in Mathematik und Physik sowie, erneut als Beste, das Examen, das sie zum Unterrichten an höheren Mädchenschulen berechtigte.

Promotion und Nobelpreise

Bei ihrer Arbeit in Paris erforschte Marie Sklodowska zunächst im Auftrag der Gesellschaft zur Förderung der Nationalindustrie die magnetischen Eigenschaften von Stahl. Dabei traf sie auch ihren späteren Ehemann Pierre Curie, der ihren Forschungsehrgeiz teilte.

Pierre und Marie Curie in einem Labor
Pierre und Marie Curie im „Hangar“ der „Ecole de physique et chimie industrielles“ in Paris, wo sie ihre Entdeckung machten. Links daneben steht wahrscheinlich Henri Becquerel. Aufgenommen ca.1898.© Wellcome Library, London/ CC-by- 4.0

Ab 1897 wurde Marie Doktorandin des Physikprofessors Antoine Henri Becquerel (1852-1908) an der Sorbonne. Dort erforschte sie das damals von Becquerel gerade erst entdeckte Phänomen der Radioaktivität und entdeckte neue, bis dahin unbekannte chemische Elemente, die sich als „radioaktiv“ herausstellten. Begeistert von Maries ersten Ergebnisse schloss sich ihr Mann ihrer Forschung an. Das engagierte Forscherpaar erhoffte sich, mithilfe der radioaktiven Strahlen eines Tages Krankheiten zu heilen und setzte mit seiner Arbeit den Grundstein für die Radiochemie und Radiologie.

Ihre Promotion schloss Marie Curie, wie sie nach ihrer Heirat hieß, im Juni 1903 ab. Noch im Dezember desselben Jahres erhielt die damals 36-Jährige ihren ersten Nobelpreis für die Entdeckung der Radioaktivität, gemeinsam mit Pierre Curie und Henri Becquerel. Ihre Dissertation mit dem Titel „Untersuchungen über die radioaktiven Substanzen“ veröffentlichte sie im darauffolgenden Jahr. Nach dem Tod ihres Mannes forschte Marie Curie alleine weiter. Für die Isolation des radioaktiven Elements Radium erhielt sie 1911 erneut den Nobelpreis.

Entdeckung mit gesundheitlichen Folgen

Trotz der anfänglich weitverbreiteten Missachtung ihrer Leistungen als Forscherin entwickelte sich Marie Curie im Verlauf ihres weiteren Berufslebens zu einer der bedeutendsten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihrer Zeit. Sie forschte zu chemischen, physikalischen und biologischen Wirkungen der radioaktiven Strahlung und ihrer medizinischen Anwendung. Dabei war sie über viele Jahre hochdosierter Strahlung von radioaktiven Elementen ausgesetzt, vor der sie sich nicht ausreichend schützte.

Portrait von Marie Curie
Portrait von Marie Curie, aufgenommen 1934.© Smithsonian Institution Archives / Keine urheberrechtlichen Einschränkungen bekannt

Über die Gesundheitsgefahr, die von radioaktiven Materialien ausgeht, wussten die Menschen damals nichts, Schutzvorrichtungen gab es kaum. Heute ist bekannt, dass die ionisierende Strahlung solcher Materialien schwere Krankheiten wie Krebs auslösen. Sie werden aber auch in der gezielten Bestrahlung von Tumoren verwendet. Bereits 1903 zeigten sich bei Marie und Pierre erste gesundheitliche Auswirkungen ihrer Arbeit mit radioaktivem Material, die sie jedoch nicht als solche erkannten. Unter anderem erlitt Marie eine Fehlgeburt.

1911 erkrankte Marie Curie erstmals schwer, forschte aber dennoch unermüdlich und hartnäckig noch knapp zwei Jahrzehnte weiter. Erst Ende der 1920er Jahre nahmen nicht mehr nur ihre zunehmend steifen Hände deutlichen Schaden, sondern auch ihre Augen und Ohren und sie beendete notgedrungen ihre Forscherkarriere. Am 4. Juli 1934 starb sie im Alter von 66 Jahren im Sanatorium Sancellemoz in Ostfrankreich an Leukämie – wahrscheinlich eine Folge der jahrelangen radioaktiven Belastung durch ihre Forschungen.

Marie Curies wissenschaftliches Wirken

Die Entdeckung der Radioaktivität

Zwei wissenschaftliche Errungenschaften gingen Marie Curies Forschungsarbeit voraus, ohne die ihre bahnbrechenden Entdeckungen nicht möglich gewesen wären.

1895 entdeckte Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) die nach ihm benannte Röntgenstrahlung, die weltweit Aufsehen erregte, weil sie Materie durchdringen konnte und selbst das Körperinnere sichtbar machte. Schon wenige Jahre später kam sie in der Strahlentherapie von Krebs und zur medizinischen Bildgebung zum Einsatz. Für seine Entdeckung erhielt Röntgen 1901 den ersten Physiknobelpreis.

Becquerel entdeckt auf Umwegen die Radioaktivität

1896 entdeckte zudem Antoine Henri Becquerel die natürliche Strahlung des Schwermetalls Uran beziehungsweise von uranhaltigen Mineralien, die ohne Licht fotografische Platten schwärzten. Becquerel glaubte zunächst irrtümlich, das Uran sende Röntgenstrahlen aus, erkannte dann aber, dass es sich um eine andere Art der Strahlung handeln musste. Seine Entdeckung erhielt in der Fachwelt zunächst deutlich weniger Aufmerksamkeit als Röntgens, stieß aber auf das Interesse der jungen Marie Curie, die ein Thema für ihre Doktorarbeit suchte.

Inspiriert von ihrem späteren Doktorvater Becquerel erforschte sie ab 1897, woher diese mysteriöse Strahlung stammt und ob sich eine solche Strahlung auch bei anderen Elementen nachweisen lässt. Gemeinsam mit ihrem Mann Pierre beschäftigte sie sich eingehend mit dem Element Uran sowie mit den Uranverbindungen Pechblende (auch Uraninit oder Uranerz genannt) und Chalcolit (auch Torbernit und Kupferphosphoruranit genannt), aber auch mit anderen Mineralien, Metallen, Salzen.

Zwei neue Elemente: Die Entdeckung von Radium und Polonium

Ihre Suche war erfolgreich: Aus der chemischen Analyse von Pechblende identifizierten die Curies zwei bisher unbekannte Elemente, die wie Uran ebenfalls auf natürliche Weise intensiv strahlten. Beide widersprachen den damals gängigen Theorien über die Zusammensetzung der Materie.

Ohne damals zu wissen, dass diese Elemente Strahlung aussenden, weil ihre Atome unter Abgabe von Elementarteilchen zu leichteren Elementen zerfallen, bezeichnete Marie Curie den Vorgang erstmals als „Radioaktivität“ (Latein für „Strahlungstätigkeit“) und die Elemente als „radioaktiv“. Zudem taufte sie das erste von ihnen entdeckte Element „Radium“, das zweite „Polonium“, nach ihrer Heimat Polen.

Da die Curies noch keinen ausreichend etablierten Status als Wissenschaftler hatten, präsentierte zunächst Becquerel für sie die Ergebnisse in der Fachwelt. 1898 gaben die Curies sie dann auch selbst offiziell bekannt. Im selben Jahr entdeckte Marie zudem die Radioaktivität des bereits bekannten Elements Thorium.

Mit welchen Methoden arbeiteten die Curies?

Bei ihren gemeinsamen Arbeiten teilten sich die Curies die Aufgaben. Marie Curie führte den mehrstufigen chemischen Prozess durch, Pechblende und andere Erze aus radioaktiven Mineralien in ihre chemischen Elemente zu trennen. Mit verschiedenen Lösungsmitteln trennte sie die Verbindungen wiederholt in lösliche und unlösliche Komponenten. Ihr Mann Pierre untersuchte derweil schrittweise die physikalischen Eigenschaften der so entstandenen Stoffgemische und isolierten Stoffe – unter anderem darauf, ob sie radioaktiv strahlten.

Mit einem von Pierre neu entwickelten sogenannten Piezo-Elektrometer maß Marie Curie zudem die von radioaktiven Verbindungen abgegebene Strahlung in Form von Elektrizität in der Luft. Dabei stellte sie fest, dass die gemessene Intensität unabhängig von Licht und Temperatur sowie der Art der chemischen Verbindung war, aber abhängig von dem enthaltenen chemischen Element.

Das war eine entscheidende Beobachtung. Marie schloss daraus, dass Radioaktivität nicht aus chemischen Reaktionen resultiert, sondern eine physikalische Atomeigenschaft ist und auf Aktivität der Atome selbst beruht. Mit dieser Erkenntnis setzte sie den Grundstein für die Theorie des radioaktiven Zerfalls und die moderne Physik des 20. Jahrhunderts.

Erneuter Beweis: Die Isolation von Radium

Marie forschte weiter. Trotz ihrer ersten Nachweise von Radium und Polonium lagen bis dato nur sehr geringe Mengen der neuen radioaktiven Elemente vor. Um deren Existenz endgültig zu beweisen, isolierte Marie Curie in den folgenden Jahren im Auftrag der Internationalen Radium-Standard-Kommission erstmals eine „größere“ Menge reinen Radiums – einige Milligramm.

 

Marie Curie in ihrem Labor
Marie Curie in ihrem Labor. Nachträglich colorierte Fotografie von 1912.© VictoriaKC/ CC-by- 4.0

 

Der Prozess war nicht nur zeitaufwendig, sondern auch körperlich mühsam. Aus Bergwerken, in denen Uranerz abgebaut wurde, beschaffte sich die Forscherin acht Tonnen Gesteinsabfälle. In einer Pariser Holzbaracke bereitete sie das Material chemisch auf und gewann daraus große Mengen Pechblende, woraus sie schließlich wie bereits in den ersten Versuchen Radium isolierte.

Nebenbei erforschte Curie auch verschiedene Radiumverbindungen und bestimmte die atomare Masse von Radium. Als Chemikerin untersuchte sie Zeit ihres Lebens weiterhin radioaktive Substanzen mit dem Ziel, diese medizinisch zu nutzen und Menschen von schweren Krankheiten zu heilen.

Wofür wurde Radium gebraucht?

Das von Marie Curie entdeckte und gewonnene radioaktive Element Radium, dessen Strahlung deutlich stärker ist als die des Urans, war jedoch nicht nur ein Neuzugang für das chemische Periodensystem der Elemente. Es kam in den folgenden Jahren auch vermehrt in der Medizin zur Strahlenheilkunde zum Einsatz, in der sogenannten Radiologie. Zu diesem Gebiet gehörte bereits die Röntgenkunde, die auf Röntgenstrahlen beruht.

Zur genaueren Dosierung von radioaktiver Strahlung wurde in dieser Disziplin Anfang des 20. Jahrhunderts eine Maßeinheit eingeführt. Um Marie zu ehren, wurde diese ab 1910 „Curie“ genannt. Laut Definition einer internationalen Kommission entsprach ein „Curie“ (Ci) der Aktivität eines Gramms reinen, natürlichen Radiums pro Sekunde. 1985 wurde das Maß durch die Einheit „Becquerel“ (Bq) ersetzt. Seither wird damit als Maß für die radioaktive Aktivität die mittlere Anzahl der Atomkerne angegeben, die pro Sekunde radioaktiv zerfallen. Gemessen wird diese heute mit Geiger-Müller-Zählrohren, sogenannten Geigerzählern.

Ablehnung und Anerkennung als Forscherin

Zwei Nobelpreise und ein eigenes Institut

Als Frau hatte es Marie Curie nicht nur im Studium, sondern auch in der Männerdomäne Wissenschaft nicht leicht. Einige ihrer Karriereschritte beschritt sie sogar als erste Frau überhaupt.

 

Titelblatt der Dissertation von Marie Curie
Am 25. Juni 1903 verteidigte Marie Curie ihre Doktorarbeit an der Sorbonne in Paris. Titel der Dissertation: Forschungen über radioaktive Stoffe.© Marie Curie / Gemeinfrei

 

Beim Abschluss ihrer Promotion 1903 war Marie Curie eine der ersten Frauen in Frankreich, die einen Doktortitel in den Naturwissenschaften erhielten (die erste war 1888 die Biologin Louise-Amélie Leblois). Zu dieser Zeit promovierten generell nur wenige Frauen in Europa.

Nachdem die Ergebnisse des Ehepaars Curie von Henri Becquerel bekannt gemacht worden waren, stellte sich auch die erste Anerkennung für Maries Forschungsarbeit ein: Sie wurde mit mehreren Fachpreisen für Physik ausgezeichnet, darunter die Davy-Medaille von der Londoner Royal Society.

1903: Nobelpreis in Physik

Gemeinsam mit Becquerel erhielten die Curies zudem 1903 den Nobelpreis für Physik „für die Entwicklung und Pionierleistung auf dem Gebiet der spontanen Radioaktivität und der Strahlungsphänomene“, wie es in der Begründung der Nobelstiftung heißt. Kurz gesagt: Für die Entdeckung der Radioaktivität.

 

Nobelurkunde von Pierre und Marie Curie von 1903
Urkunde über den Nobelpreis für Physik, der 1903 an Pierre und Marie Curie verliehen wurde. Beide teilten sich diese Auszeichnung mit Henri Becquerel.© Sofia Gisberg, hochgeladen und überarbeitet von Jebulon / Gemeinfrei

Marie Curie war damit die erste Frau, die einen Nobelpreis in einer Naturwissenschaft erhielt. Allerdings nur auf Drängen ihres Ehemanns Pierre, der sich dafür einsetzte, dass nicht nur die beiden nominierten Männer, sondern auch Marie verdienterweise den Nobelpreis erhielt. Der von Alfred Nobel gestiftete Preis wurde erst zwei Jahre zuvor erstmals überhaupt vergeben. Die Nominierung einer Frau in den Naturwissenschaften entsprach nicht dem Zeitgeist.

Mit dem Preisgeld stellten die Curies einen Assistenten für ihr privates Labor ein. Infolge des Ruhms erhielt Pierre Curie zudem 1904 eine Professur für allgemeine Physik an der Sorbonne sowie ein Labor mit drei Assistenten. Seine Frau Marie wurde lediglich zu dessen Laborleiterin ernannt, erhielt dadurch aber erstmals ein Gehalt für ihre Forschung. Trotz ihres Erfolgs betrachteten sie in Fachkreisen viele Wissenschaftler weiterhin nur als „Assistentin“ ihres Ehemanns.

Erste Professorin an der Sorbonne

Zwei Jahre später starb Pierre und die Universität Sorbonne übertrug Marie seine Lehrverpflichtungen. Damit war Curie die erste Frau, die an der Pariser Universität lehrte. 1908 übernahm Marie offiziell seinen Lehrstuhl für Physik, als erste Professorin an der Sorbonne und in Frankreich.

Zu dieser Zeit war es zwar nicht weit verbreitet, aber auch nicht mehr gänzlich abwegig, dass eine Frau in Europa einen Lehrstuhl erhielt. In Bologna erhielt beispielsweise 1733 bereits die Philosophin und Physikerin Laura Bassi eine Professur, in Stockholm 1884 die russische Mathematikerin Sofja Kowaleskaja. In Deutschland beziehungsweise Preußen wurde die erste Professorin, die Zoologin Maria von Linden, erst 1910 ernannt, in Norwegen war die Genetikerin und Zellforscherin Kristine Bonnevie im Jahr 1912 die erste Professorin.

 

Nobelurkunde von Marie Curie von 1911
Nobelurkunde von Marie Curie, die 1911 ihren zweiten Nobelpreis erhielt.© Nobelstiftung / Gemeinfrei

1911: Nobelpreis in Chemie

Nach dem Tod ihres Mannes lehrte und forschte Marie Curie alleine weiter. Dabei vertiefte sie ihre Erkenntnisse zur Radioaktivität. In dieser Zeit machte sie sich als Forscherin zunehmend einen eigenen Namen. Für die nähere Erforschung und Isolation von Radium sowie für die grundlegende Entdeckung der Elemente Radium und Polonium wurde Marie im Dezember 1911 als alleinige Preisträgerin mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Sie war damit die erste Person der Geschichte, der der Preis ein zweites Mal verliehen wurde.

Die Skepsis gegenüber den wissenschaftlichen Kompetenzen einer Frau war dennoch weiterhin groß. Mitglied der französischen Akademie für Medizin wurde Marie Curie beispielsweise erst 1922; elf Jahre zuvor hatte man ihr die Mitgliedschaft als Frau noch verweigert

Marie Curie gewinnt weltweit an Einfluss

Durch ihre Entdeckungen öffneten sich für Marie Curie aber auch neue Türen. 1909 gründete die Pariser Universität Sorbonne eigens für sie das Radium-Institut, das sie ab 1914 bis zu ihrem Tod offiziell leitete. Heute heißt es Institut Curie.

Gebäude des ehemaligen Radium-Instituts
Gebäude des Pasteur-Pavillons des ehemaligen Radium-Instituts, 1909 erbaut, heute Musée Curie. 1929 veröffentlichte Fotografie.© Wellcome Images/ CC-by- 4.0

 

Nach dem Ersten Weltkrieg forschten Marie Curie und ihre Tochter Irène bis 1927 gemeinsam an diesem Institut, das sich unter Maries Leitung vergrößerte und zu einem weltweit renommierten Zentrum der Kernphysik entwickelte. Dennoch fehlte es ihr dort oft an Forschungsmitteln.

Um diese anzuwerben, reiste die sonst eher öffentlichkeitsscheue und stille Marie mehrfach zu wohlhabenden Bewunderern ihrer Arbeit in die USA. Dort und in einigen anderen Ländern hielt sie auch Vorlesungen und teilte so ihr Wissen. Außerdem verfasste sie Fachartikel und Bücher über Radioaktivität, die weite Verbreitung fanden.

Rückhalt und Errungenschaften der Curies

Die Forscherin privat

Die ersten, die Maria Sklodowskas Talent förderten, waren ihre Eltern. Trotz der ärmlichen Lebensverhältnisse und der eingeschränkten Möglichkeiten im von Russland kontrollierten Polen ermöglichten sie ihrer Tochter Zugang zu Bildung. Später war es Marias Schwester, die ihr Studium finanziell unterstütze.

In der Liebe hatte Maria Sklodowska zunächst weniger Glück: Mit 19 Jahren verliebte sie sich in den Sohn der Gutsbesitzerfamilie, bei der sie als Gouvernante angestellt war. Der Mathematikstudent erwiderte die Liebe, doch die Familie war gegen die Verbindung, die nach einem mehrjährigen Hin und Her schließlich zerbrach. Maria glaubte daraufhin nicht mehr an die Liebe, fand sie später aber dennoch.

Ehe mit Pierre Curie

Den acht Jahre älteren Physiker Pierre Curie, damals Chemielehrer und Laborleiter an der Schule für Industrielle Physik und Chemie in Paris, lernte die 27-jährige Marie Sklodowska im Jahr 1894 kurz nach ihrem Studium kennen, als sie in Paris ein Labor für ihre Arbeit an Stahl suchte. Die beiden arbeiteten fortan zusammen und verliebten sich schließlich. 1895 heirateten sie, aus Marie Sklodowska wurde Marie Curie. 1897 bekam das Paar seine erste Tochter Irène. 1903, im Jahr ihrer Dissertation und ihres ersten Nobelpreises, erlitt Marie eine Fehlgeburt. 1904 folgte die Geburt ihrer zweiten Tochter Ève.

 

Foto von Marie, Pierre und Irene Curie
Marie, Pierre und Irene Curie, aufgenommen ca. 1902.© Gemeinfrei

Pierre und Marie führten eine enge Beziehung, sowohl auf privater als auch auf wissenschaftlicher Ebene. Schon kurz nachdem sie sich kennenlernten, arbeiteten die beiden gemeinsam in ihrem improvisierten privaten Labor unter heute vergleichsweise mühevollen Bedingungen und schlechter Ausstattung. Später teilten sie sich auch das Labor bei Becquerel und das von Pierres eigenem Lehrstuhl. Dort verbrachten sie die meiste Zeit, trotz ihrer beiden Kinder, um die sich Pierres Vater kümmerte.

Bevor ihre Arbeit fachliche Anerkennung erlangte und ihnen ein eigenes Universitätslabor bescherte, finanzierten sich die strebsamen Curies ihre Forschung selbst, indem sie parallel als Lehrer arbeiteten. Doch auch das Professorengehalt reichte später oft nicht, um alle Forschungsausgaben zu decken; die Curies unterrichteten daher weiter. Elf Jahre lang teilte das zunehmend erfolgreiche Forscherduo alle Aspekte seines Lebens und unterstützte sich gegenseitig.

Foto von Marie Curie und ihren beiden Töchtern Irène und Ève
Plötzlich Witwe: Marie Curie und ihre beiden Töchter Irène und Ève, aufgenommen 1908.© Gemeinfrei/ CC-by- 4.0

Marie Curie wird Witwe

Im April 1906 starb Pierre Curie unerwartet bei einem Verkehrsunfall. Trotz ihrer massiven Trauer führte die damals 38-jährige Marie Curie schon wenige Wochen später die Vorlesungen ihres verstorbenen Mannes an der Sorbonne weiter und übernahm zwei Jahre später seine Professur für Physik.

Marie arbeitete ohne die Hilfe ihres Ehemanns weiter, jedoch nicht weniger engagiert oder erfolgreich. Unterstützt wurde sie dabei weiterhin von ihrem Schwiegervater Eugène Curie, der sich als Großvater bereits seit deren Geburt um Maries Töchter Irène und Ève kümmerte. Nach Pierres Tod übernahm er für die beiden verstärkt Vater- und Mutterrolle.

Außereheliche Beziehung führt zum Skandal

Doch Maries Privatleben bescherte ihr nicht nur Trauer, sondern auch negative Schlagzeilen. 1910, vier Jahre nach Pierres Tod, ging Marie Curie eine Beziehung mit ihrem Freund und Kollegen, dem Physiker Paul Langevin ein, einem ehemaligen Doktoranden von Pierre. Weil dieser mit einer anderen Frau verheiratet war und vier Kinder hatte, wurde die Liaison von der französischen Presse zum öffentlichen Skandal erklärt. Die Beziehung zerbrach daran, Paul kehrte zu seiner Ehefrau zurück.

Durch die mediale Aufmerksamkeit war Maries Nominierung für den zweiten Nobelpreis gefährdet. Sie erhielt die Auszeichnung 1911 aber schließlich dennoch. Trotz Abraten des Nobelkomitees nahm sie den Preis stolz persönlich entgegen. Wegen ihrer schlechter werdenden Gesundheit und um dem Gerede über ihr Privatleben zu entkommen, zog Marie kurz darauf vorübergehend nach England. Die öffentliche Verurteilung ihrer Liebesbeziehung überschattete trotzdem ihr weiteres Leben – ungeachtet weiterer wissenschaftlicher Erfolge.

 

Marie Curie in einer mobilen Röntgenanlage
Marie Curie in einer mobilen Röntgenanlage des Militärkrankenhauses, ca. 1915.© Gemeinfrei

Kriegsjahre schweißen Mutter und Tochter zusammen

Einer von Marie Curies weniger bekannten Verdiensten ist ihr Engagement im Ersten Weltkrieg (1914-1918): Zu der Zeit entwickelte sie gemeinsam mit ihrer damals 17-jährigen Tochter Irène, die in die wissenschaftlichen Fußstapfen ihrer Eltern getreten war, mobile Röntgenstationen in umgebauten Autos. Mit Hilfe von Röntgenstrahlen generierten sie vor Ort ein Bild vom Inneren des Körpers von verwundeten Soldaten und konnten so Kugeln oder andere Geschosse lokalisieren. Nicht wenigen Menschen retteten die beiden Frauen damit das Leben.

Marie Curie arbeitete selbst an der Kriegsfront, wo sie einen dieser Röntgenwagen steuerte. Unter ihrer Leitung entwickelten sich in dieser Zeit über 200 Röntgenstationen, deren Personal Marie und Irène zunächst selbst ausbildeten.

 

Marie Curie und ihre Tochter Irène in einem Labor
Marie Curie und ihre Tochter Irène, aufgenommen 1925.© Gemeinfrei/ CC-by- 4.0

Die Tätigkeit schweißte Mutter und Tochter zusammen. In den folgenden Jahren arbeiteten die beiden ähnlich eng zusammen, wie es Marie ehemals mit ihrem Ehemann Pierre getan hatte. 1926 heiratete Irène Curie den französischen Physiker Frédéric Joliot-Curie (1900-1958), mit dem sie 1935 gemeinsam den Nobelpreis für Chemie erhielt – „für ihre Synthese von neuen radioaktiven Elementen“. Ihre 1934 verstorbene Mutter Marie erlebte das jedoch nicht mehr mit.

Marie Curies jüngere Tochter Ève wurde zunächst Pianistin, später Schriftstellerin und Journalistin. Sie veröffentlichte bereits 1937, drei Jahre nach deren Tod, die erste Biografie ihrer Mutter. Diese wurde ein Weltbestseller. Ève zog in die USA und heiratete den amerikanischen Diplomaten Henry R. Labouisse, der 1965 den Friedensnobelpreis erhielt.

Ist Marie Curie ein Rollenvorbild?

Wissenschaftlerin der Superlative

Marie Curie gilt bis heute als Vorbild für Frauen in der Wissenschaft. Mit ihrer Beharrlichkeit und ihrem körperlichen Einsatz brachte sie die Physik und Chemie maßgeblich voran und entwickelte bahnbrechende medizinische Innovationen, die vielen Kranken halfen. Nebenbei bildete sie auch junge Menschen aus, nahm Einfluss auf ihre Entwicklung und die gesellschaftlichen Verhältnisse.

Während ihrer Promotion in Paris unterrichtete sie beispielsweise auch Physik an einer Mädchenschule. Dort führte sie die Methode der experimentellen Demonstration ein und erweiterte so den Bildungshorizont der Schülerinnen. Das Radium-Institut an der Pariser Universität Sorbonne, das Marie Curie später leitete, beschäftigte zudem weit mehr Frauen und Ausländer als ähnliche Wissenschaftseinrichtungen zu der Zeit – weil Curie sich dort für die Förderung von weiblichen und ausländischen Studenten einsetzte.

Curie im Kreis der Klügsten

Auch in die Kreise der weltweiten Wissenschaftselite wurde die renommierte Forscherin aufgenommen; zum Beispiel war sie Mitglied der internationalen Kommission für geistige Zusammenarbeit des Völkerbunds, dem International Committee on Intellectual Cooperation. Ziel dieses 1922 gegründeten Gremiums war es, den internationalen Austausch von Forschenden, Lehrenden, Kunstschaffenden und Intellektuellen zu fördern. Unter den meist männlichen Mitgliedern waren international berühmte Größen wie Albert Einstein, aber auch die Biologin Kristine Bonnevie, Norwegens erste Professorin.

 

Marie Curie in ihrem Chemielabor
Marie Curie in ihrem Chemielabor am Radium-Institut in Frankreich, April 1921.© Nationaal Archief of the Netherlands. Keine urheberrechtlichen Einschränkungen bekannt.

Curies Hauptinteresse lag jedoch nicht in der Lehre oder dem wissenschaftlichen Austausch, sondern in der experimentellen Forschung. Sie selbst sagte dazu: „Ich gehöre zu denen, die die besondere Schönheit des wissenschaftlichen Forschens erfasst haben. Ein Gelehrter in einem Laboratorium ist nicht nur ein Techniker, er steht auch vor den Naturvorgängen wie ein Kind vor einer Märchenwelt.“

Fans und Unterstützer

Anerkennung und mediale Aufmerksamkeit fand Curie dafür auf der ganzen Welt – auch weil sie notgedrungen viel auf Reisen war, insbesondere in den USA, um um Unterstützung für ihre Forschung zu bitten. Denn trotz ihrer renommierten Anstellung als Professorin reichte ihre Ausstattung nicht aus. Ihr fehlte es unter anderem an radioaktivem Material, weil dieses in Paris vor allem für die Medizin verwendet wurde.

Ihr Bitten wurde erhört: Bei einer USA-Reise 1921 überreichte ihr der damalige US-Präsident Warren G. Harding (1865-1923) als symbolische Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Verdienste ein Gramm Radium. Der Kauf des Materials wurde durch 100.000 Dollar an Spenden amerikanischer Frauen finanziert, die Curie bewunderten. 1929 überreichte ihr US-Präsident Herbert Hoover (1874-1964) weitere 50.000 Dollar, um ein Labor für Radioaktivität in Warschau zu errichten. Gespendet hatten das Geld amerikanische Freunde der Wissenschaft.

Ikone für Frauen…?

In Fachkreisen war Marie Curie in höherem Lebensalter hoch angesehen, obwohl sie eine Frau war. Dass sie auch in der Öffentlichkeit bereits zu Lebzeiten als Ikone galt, geht unter anderem auf eine PR-Kampagne der ihr wohlgesonnenen amerikanischen Journalistin Marie Meloney Anfang der 1920er Jahre zurück, die in der Spende des Gramm Radiums gipfelte. Sie zeichnete von Marie Curie das perfekte Bild einer ehrgeizigen Karrierefrau und aufopferungsvollen Mutter. Das brachte ihr die erhofften Forschungsgelder ein, führte jedoch nicht zu mehr Frauen an Universitäten, die Curie nacheifern wollten. Offenbar erschien Curie zu sehr als Ausnahmetalent, um als nahbares Vorbild zu dienen.

Dennoch ist Marie Curie in vielerlei Hinsicht bis heute ein Vorbild: „Als aktive Forscherin, die für ihre Wissenschaft lebte und sich ein Renommee erarbeitete. Und natürlich auch als Frau, die sich durchgesetzt hat in einer frauenfeindlichen Zeit“, sagte der Wissenschaftshistoriker Horst Kant in einem Artikel der „Zeit“. Curie habe aber nie über die Diskriminierung der Frau gesprochen, so Kant. Weil es ihr stets um Qualifikation, nicht um das Geschlecht gegangen sei, habe sie Frauen als ebenso gute Forscher erachtet wie Männer.

Ikone für Forschende!

Curie ist damit eine Ikone für alle ehrgeizigen Forschenden, nicht nur für Forscherinnen. Eines ihrer berühmtesten Zitate lautet: „Leicht ist das Leben für keinen von uns. Doch was nützt das, man muss Ausdauer haben und vor allem Zutrauen zu sich selbst. Man muss daran glauben, für eine bestimmte Sache begabt zu sein, und diese Sache muss man erreichen, koste es, was es wolle.“ Für diese Hartnäckigkeit wird sie bis heute bewundert.

 

Bücher über Marie Curie:

Biografie: Ève Curie: Madame Curie (Gallimard, Paris, 1938)
Biografie: Alina Schadwinkel: Marie Curie. (Reclam, 2017)
Biografie: Richard Gunderman: Curie (Langenmüller, 2021)

Bücher von Marie Curie:

Marie Curie: Recherches sur les Substances Radioactives (Forschungen zu radioaktiven Stoffen) (1904)
Marie Curie: Traité de radioactivité (Abhandlung über Radioaktivität) (1910)
Marie Curie: L’Isotopie et les Eléments Isotopes (Isotopie und Istopen-Elemente) (1924)