Wie wir uns beim Gemüse-Geschmack von anderen beeinflussen lassen
Abgeguckt: Ob wir eine Gemüsesorte mögen oder nicht, hängt zum Teil vom Geschmack unserer Mitmenschen ab, wie Psychologen herausgefunden haben. Denn wenn sich diese beim Brokkoli-Essen ekeln, spiegelt sich das in ihres Mimik wider. Im Experiment lernten die Zuschauerinnen aus dieser Einschätzung und lehnten das Gemüse dann ebenfalls eher ab. Umgekehrt und bei anderen Gemüsesorten funktionierte die Nachahmung hingegen nicht. Woran dies liegt, muss nun noch weiter untersucht werden.
Wie wir uns in einer unbekannten Situation verhalten sollen, schauen wir uns oft von unseren Mitmenschen ab. Diese Nachahmungstechnik, die sogenannte soziale Modellierung, hat sich evolutionär durchgesetzt, weil wir Gefahren so effektiv vermeiden können. Weil einige Dinge in der Natur giftig sind, achteten unsere Vorfahren besonders beim Essen auf die Reaktion erfahrener Mitmenschen. So lernten sie, was und wieviel wir von einem Lebensmittel essen können.
Doch wie sieht es mit dieser unwillkürlichen Nachahmung heute aus? Beeinflusst sie auch bei uns noch, was wir essen? Frühere Studien legen nahe, dass wir das Essverhalten unserer Mitmenschen vor allem dann kopieren, wenn dies für sie positive Folgen hatte. Was anderen schmeckt, essen wir also auch gerne. Bei negativen Reaktionen schauen wir uns die Ablehnung ebenfalls ab. Wenn ein Gericht anderen Menschen offensichtlich nicht schmeckt, wollen wir es demnach selbst meist auch nicht mehr essen. Ob dies auf alle Lebensmittel zutrifft, ist jedoch unklar.
Wie gut schmeckt roher Brokkoli?
Welche Rolle die unbewusste Nachahmung anderer bei den eigenen Essenvorlieben spielt, hat nun ein Forschungsteam um Katie Edwards von der Aston University näher untersucht. Sie wollten wissen, wie sehr sich junge Erwachsene, die meist besonders wenig gesundes Gemüse essen, darin von anderen beeinflussen lassen und ob das pauschal für alle Gemüsesorten gilt. Dafür filmten sie Probanden, während diese rohen Brokkoli aßen – ein gesundes Gemüse, das wegen seines bitteren Geschmacks häufig abgelehnt wird.
Zum Vergleich aßen die gezeigten Personen rohe Gurke – ein dem Brokkoli farblich ähnliches Gemüse mit ähnlichem Nährstoffgehalt, das aber deutlich seltener negativ behaftet ist. Die Mimik der Testpersonen zeigte dabei jeweils entweder gespieltes Gefallen, Ekel oder war neutral. Anschließend zeigten die Psychologen diese Videoaufnahmen 205 Frauen zwischen 18 und 30 Jahren und fragten diese vorher und nachher, ob sie ebenfalls rohen Brokkoli oder Gurke essen wollen. Ihre Essensvorlieben gaben die Frauen dabei auf einer Skala von eins bis zehn an.
Männer wurden gezielt nicht gefragt, da sie insgesamt ein anderes Essverhalten haben als Frauen und sich bei der Essenswahl weniger stark beeinflussen lassen, wie die Forschenden erklären.
Abneigung ist „ansteckend“
Und tatsächlich: Die Auswertung ergab, dass die Probandinnen wie erwartet rohen Brokkoli stärker ablehnten, wenn sie zuvor das Video einer Testperson gesehen hatten, die sich beim Essen sichtbar ekelte. „Dies unterstreicht den Einfluss der Beobachtung von Nahrungsmittelabneigungen auf das Essverhalten von Erwachsenen“, sagt Edwards. Bei Gurken war dies hingegen nicht der Fall. Das legt nahe, dass das eigene Essverhalten nicht bei allen Gemüsesorten gleichermaßen auf Nachahmung basiert.
Zudem waren die Zuschauerinnen durchaus bereit, rohen Brokkoli zu probieren, auch wenn sie zuvor Ekel-Videos betrachtet hatten und nach eigenen Angaben keinen Brokkoli mochten. Möglicherweise überwog hierbei die Neugier, da Brokkoli für gewöhnlich nicht roh serviert wird, geben die Forschenden zu bedenken.
Gemüse-Vorlieben werden scheinbar nicht nachgeahmt
Umgekehrt trat der Nachahmungseffekt in der Studie jedoch überraschenderweise nicht auf: „Anderen dabei zuzusehen, wie sie mit einem positiven Gesichtsausdruck rohen Brokkoli aßen, steigerte bei den Zuschauerinnen weder die Vorliebe noch das Verlangen nach dem Gemüse“, berichtet Edwards. Auch bei Gurken ließ sich nach der Videovorführung kein gesteigertes Interesse beobachten. Dieses Ergebnis widerspricht früheren Studien, wonach positiv Erlebtes gerne imitiert wird.
Dass sich die Zuschauerinnen durch die lächelnden Testpersonen nicht überzeugen ließen, könnte daran liegen, dass sie Brokkoli optisch oder aus Erfahrung eklig fanden und die daraus resultierende Ablehnung die positive Einschätzung anderer Menschen überwog, so das Team. Die Videos waren zudem ohne Ton und zeigten ein gespieltes Lächeln. Damit sind sie möglicherweise nicht authentisch genug, um Zuschauer vom guten Geschmack von rohem Brokkoli oder Gurke zu überzeugen.
Künftig wollen die Forschenden ihr Experiment daher mit Live-Situationen wiederholen, die realistischere Reaktionen auf gut schmeckende Gerichte widerspiegeln.
Offene Fragen
Obwohl die Studie nur mit Erwachsenen durchgeführt wurde, gehen Edwards und ihre Kollegen davon aus, dass ihre Ergebnisse auch auf Kinder übertragbar sind – zumindest bei der imitierten Ablehnung von Gemüse. „Wenn ein Kind beispielsweise sieht, dass seine Eltern sich beim Essen von Gemüse ekeln, könnte dies negative Auswirkungen auf die Gemüseakzeptanz der Kinder haben“, sagt Edwards. Wie stark der Einfluss ist, müssen aber weitere Studien klären, denn Kinder haben insgesamt ein wählerischeres Essverhalten.
„Wir brauchen auch mehr Forschung, um zu sehen, ob Erwachsene tatsächlich mehr oder weniger Gemüse verzehren, nachdem sie die Reaktionen anderer gesehen haben“, sagt Edwards. (Frontiers in Psychology, 2023; doi: 10.3389/fpsyg.2023.1252369)
Quelle: Frontiers