Negative Gefühle verschwinden durch Aufschreiben und Wegwerfen
Aufschreiben und auflösen: Wut und Ärger über einen negativen Vorfall loszuwerden, kann verblüffend einfach sein. Demnach reicht es oft schon, unsere emotionale Reaktion auf ein Blatt Papier zu schreiben und dieses dann zu schreddern oder wegzuwerfen, wie eine Studie zeigt. Wer das Schriftstück hingegen aufbewahrt, behält auch seine negativen Emotionen. Die Methode könnte künftig in ärgerlichen Situationen in Job und Privatleben angewandt werden, berichten die Psychologen.
Wir alle regen uns gelegentlich auf, wenn Dinge anders laufen, als es uns gefällt. Unserem Ärger am Arbeitsplatz oder zu Hause freien Lauf zu lassen, kann jedoch negative Folgen in unserem Job und Privatleben haben. In manchen Situationen ist es daher besser, seine Wut zu kontrollieren. Experten schlagen dafür verschiedene Bewältigungstechniken vor. So kann man beispielsweise seinem Ärger Luft machen, indem man aggressive Musik hört oder einen Boxsack schlägt.
Frühere Studien legen zudem nahe, dass Wut und andere Emotionen kontrolliert und eingedämmt werden können, wenn sie mit physischen Gegenständen verknüpft werden. Angst reduziert sich beispielsweise, wenn man einen Teddybären hält, und Einsamkeit unter einer heißen Dusche. Die Wirkung ähnlicher Bewältigungsstrategien gegen Wut ist hingegen bislang oft nicht empirisch belegt.
Wut aufschreiben und loslassen?
Yuta Kanaya und Nobuyuki Kawai von der Universität Nagoya in Japan haben nun die Wirkung einer dieser Techniken systematisch untersucht: Gefühle aufzuschreiben, um sie loszulassen. Dafür rekrutierten Kanaya und Kawai 50 beziehungsweise 46 Testpersonen für zwei Experimente. Die Versuchsteilnehmer sollten zunächst ihre Gedanken zu sozialen Konflikten aufschreiben – etwa, ob Rauchen in der Öffentlichkeit verboten werden sollte. Ein Doktorand würde diese Kurztexte anschließend lesen und bewerten, teilten die Forschenden den Probanden mit.
Allerdings erhielten alle Testpersonen absichtlich eine schlechte Bewertung, unabhängig vom Inhalt ihres Aufsatzes: Die Gedanken der Teilnehmenden seien dumm, langweilig, unfreundlich, unlogisch und irrational. Alle Schriftstücke wurden zudem mit dem Kommentar versehen: „Ich kann nicht glauben, dass ein gebildeter Mensch so denken würde. Ich hoffe, dass diese Person […] etwas lernt.“ Mit dieser Bewertung provozierten Kanaya und Kawai absichtlich negative Gefühle bei den Versuchsteilnehmern.
Im nächsten Schritt baten sie die Testpersonen, ihre Gedanken und emotionalen Reaktionen auf dieses Feedback auf ein Stück Papier zu schreiben. Die Hälfte der Probanden sollte ihre Zettel anschließend zusammenknüllen und in einen Abfalleimer werfen oder schreddern. Der Rest der Gruppe sollte ihre Schriftstücke in einer durchsichtigen Hülle auf ihrem Schreibtisch aufbewahren oder in eine durchsichtige Plastikbox werfen. Wie es den Probanden dabei ging, prüften die Psychologen vor und nach dem Feedback sowie nach der Bewältigungsaufgabe per Fragebogen ab.
Wegwerfen und loslassen oder aufbewahren und festhalten
Das Ergebnis: Alle Teilnehmenden berichteten von einem höheren Maß an Wut, nachdem sie die beleidigenden Kommentare zu ihrem Aufsatz erhalten hatten. Bei den Personen, die ihre Papiere mit den negativen Gefühlen anschließend in den Mülleimer geworfen oder geschreddert hatten, kehrte der Wutpegel jedoch nach der Entsorgung auf seinen ursprünglichen Stand zurück. Bei den Versuchsteilnehmern, die die Schriftstücke behielten, reduzierte sich ihre Wut hingegen nur geringfügig, wie das Team berichtet.
Die Forschenden schließen daraus, dass das Wegwerfen oder Schreddern des Papiers als physisches Symbol für das Abwerfen der Wut selbst steht und dadurch den Ärger auflöst. „Wir hatten erwartet, dass unsere Methode die Wut bis zu einem gewissen Grad unterdrücken würde“, sagte Kawai. „Wir waren jedoch erstaunt, dass der Ärger fast vollständig eliminiert wurde.“ Die beiden Psychologen vermuten, dass die Technik auch per digitalem Aufschreiben und Löschen funktioniert, haben dies jedoch in ihrer Studie noch nicht untersucht.
Ärgerbewältigung nach japanischer Tradition
Die Technik, Ärger aufzuschreiben und den Zettel anschließend loszuwerden, könnte nach Ansicht der Wissenschaftler künftig Menschen in stressigen Job- oder Privatsituationen helfen. „Diese Methode könnte angewendet werden, indem man die Quelle des Ärgers in einer Geschäftssituation aufschreibt, als würde man ein Memo aufnehmen und es dann wegwerfen“, so Kawai. Auch Eltern könnten so ihren Ärger über ihre Kinder verarbeiten, ohne ihnen zu schaden. Denkbar sei auch ein Einsatz in der Verhaltenstherapie für Menschen mit Wutproblemen.
Darüber hinaus wirft die Entdeckung ein neues Licht auf die Herkunft der alten japanischen Tradition namens Hakidashisara. Bei dem jährlichen Festival am Hiyoshi-Schrein in Kiyosu zerschmettern die Japaner kleine Scheiben, die Dinge repräsentieren, die sie wütend machen. Die Studie könnte nun erklären, warum die Festival-Teilnehmer sich nach dem traditionellen Akt der Zerstörung erleichtert fühlen, berichten Kanaya und Kawai. (Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-57916-z)
Quelle: Universität Nagoya