Bunte Plakate, Fernsehdiskussionen von PolitikerInnen – die EU-Wahlen stehen vor der Tür. Und all die politischen Parteien, die seit Jahrzehnten in der EU und in Österreich Politik gegen die lohnabhängige Bevölkerung machen, rücken nun aus, um sich erneut unsere Stimmen und damit das OK zu dieser Politik zu sichern.
Was aber ist eigentlich die EU aus Sicht der arbeitenden Klasse? Was ist von den verschiedenen politischen Strömungen zu halten? Und wie sollten sich die Lohnabhängigen zu diesen Wahlen und zur EU insgesamt verhalten?
EU = EIN INSTRUMENT DES GLOBALISTISCHEN GROSSKAPITAL
Die EU wird von Karas (ÖVP), Schieder (SPÖ), Gamon (NEOS), Kogler (Grüne) und Voggenhuber (JETZT) als Projekt von Wohlstand, Demokratie und Frieden dargestellt. Eine solche Verdrehung der Realität ist geradezu unverschämt – und wird keineswegs dadurch besser, dass sie uns auch von den allermeisten Mainstream-Medien tagtäglich vorgekaut wird.
In Wahrheit macht die EU-Bürokratie in Brüssel von Beginn an Politik für die großen Konzerne und Banken. Sie werden kaum besteuert, während die Reallöhne für Arbeiter/innen in Österreich und vielen anderen EU-Länder in den letzten Jahren gesunken sind. Die EU will die Nationalstaaten (auch durch außereuropäische Massenmigration) immer weiter aufbrechen, um die sozialstaatlichen Regelungen immer weiter auszuhebeln und Sozialdumping weiter voranzutreiben. Durch Handelsabkommen mit Afrika zerstört die EU die dortigen Ökonomien und befeuert damit Migrationswellen und Kriege.
Die wesentlichen EU-Staaten beteiligen sich an der weltweiten NATO-Politik. Das betrifft das aggressive Vordringen gegen Russland, die Auslösung des Bürgerkrieges in der Ukraine, den NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999, die Kriege in Afghanistan, im Irak, in Libyen und Syrien, an denen EU-Staaten teilweise direkt beteiligt waren, die sie teilweise durch die Unterstützung von Islamisten so richtig angefacht haben. EU-Staaten liefern im großen Stil Waffen an islamistische Staaten wie Saudi-Arabien und die Türkei, die sich damit in Kriege im Jemen, im Irak oder in Syrien einmischen – und außerdem in diversen Ländern Islamisten fördern.
Und die Demokratie führt in der EU ein Schattendasein. Das EU-Parlament hat noch weniger zu melden als die nationalen Parlamente. Noch stärker und direkter als in den einzelnen Ländern bestimmen in der EU die Konzern- und Bank-Lobbys die Politik. Dabei gewinnt die kapitalhörige Bürokratie um Juncker durch die EU-Zentralisierung immer mehr Macht, nationalstaatliche Widerstandsmöglichkeiten werden durch EU-Gesetze immer mehr ausgehebelt. Politische Kritik wird durch Einschränkungen des freien Internet und sogenannte „Hate-Speech“-Gesetze schrittweise kriminalisiert.
PARTEIEN DES EU-ESTABLISHMENTS
Das beschriebene System dient wirtschaftlich, politisch und militärisch den vorherrschenden Kapitalgruppen, die weltweit ihre neoliberale Politik in Sinne ihrer Profitinteressen vorantreiben (= Globalismus). Dieses System und diese Politik werden von vier EU-„Parteienfamilien“ getragen: der Europäischen Volkspartei (inklusive ÖVP), der Sozialdemokratie (SPÖ), den Liberalen (NEOS) und den Grünen. Sie besetzen alle wichtige EU-Posten, sitzen in diversen Zusammenschlüssen und Denkfabriken des Großkapitals und der NATO und sind sich in den Grundlinien der beschriebenen Politik einig.
Die Europäische Volkspartei ist sowieso Hauptpartei des Großkapitals, sie stellte bisher mit Juncker den EU-Chef und hat vor, das in Zukunft mit Weber wieder zu tun. Sie exekutiert das, was die Mehrheit der Konzerne und Banken will; der ÖVP-Kandidat Karas ist ein Mann aus der Juncker-Merkel-Seilschaft. Die Sozialdemokratie entdeckt zwar im Wahlkampf wieder mal ihr „soziales Gewissen“, hat aber die neoliberale EU-Politik die ganze Zeit voll mitgetragen, in Frankreich, Deutschland, Österreich etc. selbst als Regierungspartei den Sozialabbau durchgeführt; SPÖ-Kandidat Schieder war nach der Finanzkrise 2008 führend an der „Bankenrettung“ beteiligt, also an der Sanierung der Banken durch die SteuerzahlerInnen; und in Wien erleben wir hautnah mit, wie die SPÖ diverse Bereiche der Gemeinde in Firmen ausgelagert hat und etwa im Gesundheitswesen Politik gegen die Beschäftigten macht. Die NEOS sind sogar noch für einen verschärften Neoliberalismus, für weitere Privatisierungen und Deregulierungen. Und gemeinsam mit Voggenhuber und den Grünen treten sie für eine stärkere Zentralisierung der EU ein, was die undemokratische Globalisierungspolitik über die Köpfe der Bevölkerungen hinweg weiter intensivieren würde. In Regierungsverantwortung haben die Grünen in Oberösterreich und Wien Privatisierungen mitgetragen, in Deutschland und Frankreich sogar NATO-Kriege; ihre durchsichtige Propaganda kann kaum jemand mehr ernst nehmen.
RECHTSPOPULISTISCHE OPPOSITION
Gegen dieses neoliberale globalistisch-multikulturalistische Parteienkartell der EU-Politik mobilisiert die rechtspopulistische Opposition, also Salvini in Italien, Le Pen in Frankreich, die AfD in Deutschland, die FPÖ in Österreich und andere. Diese rechte Opposition, der ziemliche Gewinne vorhergesagt werden, stützt sich vor allem auf eine ablehnende Haltung gegenüber der Migration aus islamischen und afrikanischen Ländern, eine Ablehnung, die diese Parteien mit erheblichen Teilen der europäischen Bevölkerung teilen. Der entsprechende WählerInnenzulauf funktioniert für diese Parteien insbesondere deshalb, weil die Sozialdemokratie die Gefahr des „politischen Islam“, die oftmals rückständigen Geschlechterbilder, die überproportional hohe Gewalt- und Sexualkriminalität unter muslimischen Migranten und deren oftmals aggressiven religiösen Fanatismus verharmlost. Diese Themen, die besonders in den ArbeiterInnenvierteln, in Neuen Mittelschulen und öffentlichen Verkehrsmitteln als tagtägliche Probleme wahrgenommen werden, können in der Folge von RechtspopulistInnen besetzt werden. Und die Grünen erscheinen vielen überhaupt als die Vertretung von unkontrollierter Massenzuwanderung und „Islamisierung“.
Zu diesem Hauptthema kommt aber noch etwas anderes: Viele Lohnabhängige spüren, dass ihnen die Globalisierung in den letzten 20 Jahren hauptsächlich Nachteile gebracht hat, nämlich Deregulierung, Sozialdumping, sinkende Reallöhne, steigender Arbeitsdruck, unsichere Arbeitsplätze, Auszehrung des Sozialsystems (durch Massenzuwanderung zusätzlich belastet). Die EU treibt diese Globalisierung immer weiter voran und die Nationalstaaten erscheinen vielen als letzte Verteidigungslinien des Sozialstaates. Wenn nun die RechtspopulistInnen den Globalismus der EU angreifen, die EU in einen loseren Zusammenschluss mit stärkeren Rechten der Nationalstaaten verwandeln wollen und teilweise auch soziale Demagogie betreiben, dann muss das natürlich auf fruchtbaren Boden fallen – insbesondere wenn die Sozialdemokratie seit Jahrzehnten die arbeiterInnenfeindliche EU-Politik mitträgt.
Gegen diese beiden Hauptgründe für den Aufstieg des Rechtspopulismus hilft keine mediale Hysterie. Die FPÖ oder Salvini als Nazis hinzustellen ist nicht nur Unsinn (eine Verharmlosung des echten NS-Regimes), sondern auch sinnlos – weil sich diese Aufregung abnutzt und sie eben an den Gründen des Erfolgs von diesen Parteien nichts ändert. Helfen würde gegen Vilimsky oder Le Pen nur eine andere Politik, nämlich im Sinne der arbeitenden Klasse. Eine solche wird von den Parteien des EU-Establishments nicht kommen, denn sie setzen ja lediglich die Ziele des Großkapitals um, das in überwältigender Mehrheit die globalistisch-multikulturalistische Linie forciert.
Ebenso wenig kommen wird eine Politik im Sinne der Lohnabhängigen von den rechtspopulistischen Parteien – gerade die FPÖ an der Regierung zeigt, wie sehr sie die arbeiterfeindliche Politik der ÖVP (Steuergeschenke für Konzerne, Deregulierung bei der Arbeitszeit, Zustimmung zu TTIP …) mitträgt. Denn insgesamt sind die rechtspopulistischen Parteien, auch wenn sich manche von ihnen für Sozialstaat und ArbeiterInnenrechte aussprechen, prokapitalistische Kräfte – sie würden an der konzernfreundlichen Politik und an der Ausbeutung außereuropäischer Länder nichts ändern. Und es geht ihnen auch nicht um die Organisierung der Lohnabhängigen um ihre Interessen.
ANTWORTEN DER ARBEITERINNENBEWEGUNG
Die offizielle ArbeiterInnenbewegung, insbesondere die Gewerkschaften, hängt politisch an der Sozialdemokratie und flankiert ihre prokapitalistische Politik. Durch allerlei Posten sind die GewerkschafterInnen mit dem Staat verbunden, sie wiegeln Widerstand in den Betrieben oftmals ab. Eine kämpferische ArbeiterInnenbewegung, die diesen Namen verdient, müsste ganz anders agieren.
Erstmal ist es notwendig, inhaltlich einen anderen Kurs einzuschlagen. Die Kritik an der EU darf die ArbeiterInnenbewegung nicht den Rechten überlassen, sondern sie muss die EU als Instrument von Banken und Konzernen angreifen, die undemokratischen EU-Strukturen anprangern etc. Auch die Kritik an den totalitär-faschistischen Konzepten des Islamismus, an frauenfeindlichen Traditionen und rückschrittlichen religiösen Vorstellungen ist eine ureigene Aufgabe der ArbeiterInnenbewegung. Sie muss von einem säkularen und sozialistischen Standpunkt aus angegangen werden; nicht Ablehnung von allen TürkInnen oder AraberInnen, sondern ein Bündnis mit den fortschrittlichen gegen die konservativ-islamistischen Kräfte.
Vor allem aber geht es um eine klassenkämpferische Neuausrichtung der ArbeiterInnenbewegung. Dabei auf die Änderung von GewerkschaftsbürokratInnen zu hoffen wäre naiv. Vielmehr muss eine ArbeiterInnenbewegung, die wirklich konsequent die Interessen der Lohnabhängigen vertritt, von unten neu aufgebaut werden. Die EU-Wahlen werden dazu nichts beitragen, es steht keine Partei zur Wahl, die für eine solche Ausrichtung steht. Notwendig sind vielmehr zwei Dinge: erstens die Schaffung von Strukturen, Plattformen, Netzwerken, die eine inhaltliche Neuausrichtung der ArbeiterInnenbewegung im oben ausgeführten Sinne vorantreiben; zweitens die Selbstorganisation von Beschäftigten in den Betrieben, die Schaffung von klassenkämpferischen Basisstrukturen und deren (auch internationale) Vernetzung.