Manipulierte Uhr mit schnellerem Zeitverlauf verbessert Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis
An der Uhr gedreht: Unsere Zeitwahrnehmung kann beeinflussen, wie effektiv und gut wir geistige Aufgaben lösen, wie jetzt ein Experiment enthüllt. Ist beispielsweise die Uhr auf dem Monitor so manipuliert, dass die Zeit schneller zu vergehen scheint, steigt die kognitive Leistung. Auch die Hirnströme zeigten erhöhte Aufmerksamkeit und Konzentration an. Dieser Effekt trat in den Tests auf, obwohl den Probanden die Zeitmanipulation nicht bewusst war.
Wenn wir eine Arbeit gerne machen oder uns auf eine Aufgabe konzentrieren, scheint die Arbeitszeit viel schneller zu vergehen – „wie im Flug“. Andererseits kann uns eintönige Arbeit auch das Gefühl geben, dass die Zeit stehen bleibt oder viel langsamer läuft. Unsere subjektive Zeitwahrnehmung wird demnach durch kognitive Prozesse, aber auch durch emotionale Ereignisse beeinflusst, wie Studien betätigen.
Wirkt der Effekt auch andersherum?
Ob die Zeitangabe aber andersherum auch unsere kognitiven Prozesse beeinflusst, haben nun erstmals Forscher um Sven Thönes von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz mit einem Experiment getestet. Sie wollten damit auch ergründen, was im Gehirn passiert, wenn die Zeitangaben manipuliert werden. Bei dem Experiment mussten die 30 Testpersonen am Computer komplexe Denkaufgaben lösen. Nebenbei wurde ihnen auf dem Bildschirm die Uhrzeit eingeblendet.
Während es sich zu Beginn um die tatsächliche Uhrzeit handelte, manipulierte das Forscherteam sie im weiteren Verlauf: Sie ließ die angezeigte Zeit um 20 Prozent schneller oder langsamer vergehen. Parallel dazu ermittelten sie die Leistung der Probanden bei den Denkaufgaben und maßen ihre Hirnaktivität mittels Elektroenzephalografie (EEG), bei der Elektroden an der Kopfhaut die Wellenmuster aufnehmen.
Schnellere Uhr spornt an
Dabei zeigte sich: Die Testpersonen mit der schnelleren Uhr bearbeiteten die Aufgaben besser. Ihre durchschnittliche Anzahl an korrekten Eingaben war mit der beschleunigten Zeit deutlich höher als unter normalen und auch langsamen Uhrbedingungen. Dieser Effekt trat ein, obwohl keiner der Probanden die manipulierte Zeitangabe bemerkt hatte.
Die Messdaten der Hirnaktivität zeigten, dass die sogenannte Theta-Aktivität im Gehirn der Probanden während des Blocks mit der beschleunigten Uhrzeit im Vergleich zu den anderen Durchgängen deutlich erhöht war. Frontale Theta-Wellen werden mit Arbeitsgedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozessen in Verbindung gebracht. Demnach investierten die Testpersonen mehr kognitive Ressourcen bei der Bearbeitung der Aufgaben, wenn sie mit der schnelleren Uhr arbeiteten, und waren aufmerksamer.
Was steckt dahinter?
Die Wissenschaftler vermuten, dass die subjektiv schneller vergehende Zeit unser Gehirn dazu bringt, der Aufgabe mehr Aufmerksamkeit und neuronale Ressourcen zu widmen. Das erhöht die Leistung, gleichzeitig wird die Aufgabe als positiver wahrgenommen, weil die Zeit scheinbar verfliegt. „Unsere Daten liefern damit klare Belege für die komplexe Verwobenheit von Zeitwahrnehmung, Aufmerksamkeit und höheren kognitiven Prozessen im menschlichen Gehirn“, so Thönes und seine Kollegen.
Damit zeigt die Studie, dass bereits kleine, nicht bewusst wahrnehmbare Faktoren wie eine Zeitanzeige die Leistung des Arbeitsgedächtnisses beeinflussen können. Diese Erkenntnis könnte zum Beispiel für die Arbeitsplatzgestaltung relevant sein – etwa, wenn es darum geht, ob sich die bloße An- oder Abwesenheit von zeitlichen Informationen auf die Arbeitsleistung auswirken kann.
Um dazu verlässliche Aussagen treffen zu können, ist allerdings weitere Forschung nötig, die auch die Verarbeitung im Gehirn näher untersucht. (NeuroImage, 2021, doi: 10.1016/j.neuroimage.2020.117601)