Xenotransplantation bleibt auch nach 32 Tagen ohne Abstoßungsreaktion
Ersatzorgan vom Tier: In den USA haben Mediziner erstmals erfolgreich eine Schweineniere in einen Menschen transplantiert. Auch 32 Tage nach der Operation arbeitet das Tierorgan im menschlichen Körper optimal, eine Abstoßungsreaktion fand nicht statt, wie das Team berichtet. Möglich wurde diese Xenotransplantation durch Mitimplantation des Schweinethymus und durch Ausschaltung eines Gens im Spenderschwein. Dadurch fehlte der Spenderniere das Molekül, das sonst die akute Immunreaktion beim Menschen auslösen würde.
Die Xenotransplantation gilt schon länger als vielversprechende Möglichkeit, um den Mangel an Spenderorganen in der Medizin auszugleichen. Vor allem Schweineorgane gelten dabei als potenziell geeignet, weil sie in Größe und Gewebemerkmalen gut kompatibel sind.
Anfang 2022 haben US-Mediziner erstmals einem Menschen ein Schweineherz eingesetzt. Das Schweineherz war durch Ausschalten mehrerer Schweinegene und Einschleusen von sechs menschlichen Genen so verändert worden, dass es immunpologisch zum Körper des Empfängers passte. Die Transplantation verlief erfolgreich, eine Abstoßungsreaktion blieb aus. Allerdings starb der Patient nach zwei Monaten trotzdem, weil das Spenderorgan mit Schweineviren infiziert war, wie sich hinterher herausstellte. Eine solche Infektion gilt als Hauptrisiko bei der Xenotransplantation.
Schweineniere mit nur einer Genveränderung
Jetzt hat dasselbe Team um Robert Montgomery von der New York University Langone erstmals eine Xenotransplantation mit einer Schweineniere vorgenommen – diesmal aus Vorsicht aber bei einem ohnehin hirntoten, durch Geräte am Leben gehaltenen Patienten. Um die erneute Übertragung von Schweineviren zu verhindern, war das Spenderschwein vor der Entnahme des Organs mehrere Wochen lang intensiv und wiederholt auf acht verschiedene Viren getestet worden, darunter das porcine endogene Retrovirus (PERV) und das porcine Cytomegalievirus (pCMV), das bei der Herztransplantation zur Zerstörung des Spenderorgans geführt hatte.
Ein weiterer Unterschied: Anders als beim Schweineherz war in diesem Organ und dem Spenderschwein nur ein Gen ausgeschaltet, weitere Genmanipulationen fanden nicht statt. „Wir haben nun mehr Daten, die zeigen, dass es – zumindest bei Nieren – ausreicht, wenn man nur das Gen ausschaltet, das die hyperakute Abstoßungsreaktion auslöst“, erklärt Montgomery. Dieses Schweinegen beinhaltet die Bauanleitung für ein Protein namens Alpha-Gal, das beim menschlichen Immunsystem eine sofortige Antikörper-Abwehrreaktion hervorruft.
Zusätzlich implantierten die Forschenden die Thymusdrüse des Schweins unter die Außenhülle des Spenderorgans. Der Thymus spielt für die Reifung und „Feinderkennung“ der zellulären Immunabwehr eine große Rolle. „Zusammen reichen diese Anpassungen aus, um eine erfolgreiche Transplantation des Organs in einen Menschen zu ermöglichen, nur mit den üblichen, klinisch zugelassenen immunsuppressiven Medikamenten“, sagt Montgomery.
Transplantation erfolgreich, keine Abstoßung
Nachdem die Angehörigen des 57-jährigen hirntoten Patienten ihre Zustimmung erteilt hatten, fand die Xenotransplantation der Schweineniere am 14. Juli 2023 statt. Zuvor wurden dem Empfänger beide eigenen Nieren entfernt, so dass das Spenderorgan die gesamte Nierenfunktion übernehmen musste. Die Transplantation gelang: Schon kurz nach der Operation begann die implantierte Schweineniere, Urin zu produzieren und auch die Kreatininwerte – Indikatoren für die Nierenfunktion – lagen im Normbereich, wie das Team berichtet.
Seither arbeitet die Schweineniere im menschlichen Empfänger ohne Komplikationen oder Anzeichen einer Abstoßungsreaktion. „Dies demonstriert, dass eine Schweineniere mit nur einer genetischen Modifikation und ohne experimentelle Medikamente oder Geräte die Funktion einer menschlichen Niere für mindestens 32 Tage übernehmen kann, ohne abgestoßen zu werden“, sagt Montgomery. Der Versuch dauert noch immer an und soll bis mindestens Mitte September 2023 fortgesetzt werden.
Xenotransplantation als Chance für Patienten
Nach Ansicht der Forschenden eröffnen Xenotransplantationen eine Chance, künftig vielen todkranken Patienten mit Organschäden das Leben zu retten. „Es gibt einfach nicht genug Spenderorgane für jeden, der eines benötigt“, sagt Montgomery, der selbst eine Herztransplantation erhalten hat. „Zu viele Menschen müssen wegen dieses Organmangels sterben und ich bin fest davon überzeugt, dass die Xenotransplantation ein gangbarer Weg ist, um dies zu ändern.“
Sollte die Xenotransplantation der Schweineniere weiterhin erfolgreich verlaufen, könnte in naher Zukunft auch eine erste klinische Anwendung bei einem lebenden Patienten erfolgen. Die eigens für diese Xenotransplantation gezüchteten Spenderschweine haben von der US-Arzneimittelbehörde FDA bereits die offizielle Zulassung erhalten. „Die Zulassung dieser Schweine in Kombination mit dem, was wir in unserer Xenotransplantationsforschung bisher gelernt haben, bringen uns der Phase der klinischen Studien näher“, so Montgomery.
Quelle: NYU Langone Health / NYU Grossman School of Medicine