Home PsychologiePupillenweite verrät unsere Hirnaktivität im Schlaf
Pupillenweite verrät unsere Hirnaktivität im Schlaf

Pupillenweite verrät unsere Hirnaktivität im Schlaf

Durchsichtiges „Augenpflaster“ erlaubt neue Einblicke ins schlafende Gehirn

Augen als Schlafanzeiger: Selbst im Schlaf verändert sich die Weite unserer Pupillen ständig, wie Forschende mithilfe eines durchsichtigen Augenpflasters entdeckt haben. Die Pupillenveränderungen zeigen an, dass nachts in unserem Gehirn mehr passiert als bisher angenommen. Unser Denkorgan wechselt demnach ständig zwischen verschiedenen Aktivierungsniveaus, wie das Team in „Nature Communications“ berichtet.

Was passiert in unserem Gehirn, wenn wir schlafen? Erste Erkenntnisse dazu haben unter anderem Hirnstrommessungen mittels EEG geliefert. Sie zeigen beispielsweise Aktivitätsunterschiede zwischen verschiedenen Schlafphasen. Allerdings reichen solche Messungen nicht aus, um die Vorgänge im Gehirn von Schlafenden im Detail aufzuklären – auch weil die zuständigen Hirnregionen teils tief im Hirnstamm liegen und technisch nur schwer zugänglich sind.

Doch es gibt auch einen äußeren Anzeiger, der einiges über unsere Hirnaktivität verrät: die Pupille. Ihre Weite verändert sich im Wachzustand nicht nur je nach Lichtintensität, sondern spiegelt auch unsere Emotionen und andere neuronale Prozesse wider. Doch wenn wir schlafen, haben wir meist unsere Augen geschlossen. Was unter den Lidern vor sich geht und ob es nachts ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Pupillenweite und Hirnaktivität gibt, blieb daher bislang verborgen.

Mit einer neuen Art der Lid-Fixierung können Forschende das Auge eines Schläfers offenhalten, um die Pupillenbewegung zu beobachten. © ETH Zürich

Schlafen mit offenen Augen

Forschende um Manuel Carro-Domínguez von der ETH Zürich haben nun einen Weg gefunden, um die Pupillenbewegungen schlafender Menschen zu beobachten. Dafür klebten sie mit einer speziellen Technik ein durchsichtiges Pflaster auf ein Auge von 17 Versuchspersonen. Dadurch wurde dieses über mehrere Stunden offen gehalten, ohne dass es durch den fehlenden Lidschlag austrocknete.

Dann ließ das Team ihre Probanden eine Nacht lang in Schlaflabors schlafen und nahm mit einer Infrarot-Kamera die Pupillenbewegungen auf. Das Pflaster störte dabei nicht: „In einem dunklen Raum vergessen die meisten, dass das Auge noch offen ist und können trotzdem schlafen“, berichtet Carro-Domínguez. Gleichzeitig zeichneten die Forschenden per EEG die Hirnwellen sowie per EKG die Herzschläge der Schlafenden auf und spielten ihnen mehrmals pro Nacht einen akustischen Reiz vor.

Ständiger Wechsel der Pupillenweite

Die Auswertungen ergaben: Je nach Schlafstadium ist die Pupille mal stärker und mal schwächer geweitet. Im leichten Traumschlaf (REM) waren die Pupillen der Probanden beispielsweise besonders klein, in den Tiefschlafphasen (NREM) unterschiedlich groß, aber stets kleiner als im Wachzustand, wie Carro-Domínguez und sein Team feststellten.

Zusätzlich schwankte die Pupillengröße aber auch in kürzeren Abfolgen – mal innerhalb von Sekunden, mal innerhalb von Minuten. Nähere Analysen enthüllten, dass diese schnelleren, leichten Veränderungen der Pupillenweite eng mit der Hirnaktivität und den gemessenen Hirnwellen verknüpft sind. Dabei waren auch kleinere Schlafabschnitte und Substrukturen von Schlafphasen, sogenannte Spindeln und K-Komplexe, zuverlässig mit der Pupillenweite verbunden.

Spiegel neuronaler Aktivität

„Diese Dynamik spiegelt den Erregungszustand beziehungsweise das Aktivierungsniveau von Hirnregionen wider, die für die Schlaf-Wach-Regulation zuständig sind“, erklärt Seniorautorin Caroline Lustenberger von der ETH Zürich. Demnach wechselt unser Gehirn auch im Schlaf ständig zwischen einem höheren und niedrigeren Aktivierungsniveau. Je nach aktuellem Aktivierungsniveau und Pupillenweite reagierten die Probanden auch unterschiedlich stark auf Geräusche, wie die Tests enthüllten.

„Diese Beobachtungen widersprechen der bisherigen Annahme, dass das Erregungsniveau im Schlaf grundsätzlich niedrig ist“, so Lustenberger. Stattdessen bestätigen die Ergebnisse neuere Studien, die gezeigt hatten, dass bei Nagetieren das Aktivierungsniveau des Gehirns im Schlaf schwankt.

Lässt sich an Pupillen die Schlafqualität ablesen?

Aus früheren Studien ist bekannt, dass der sogenannte Locus coeruleus wichtig für die Regulation des Aktivierungsniveaus, der Schlafstadien sowie des Aufwachens ist. Ob diese kleine Region im Hirnstamm aber auch direkt für die Pupillenveränderungen im Schlaf verantwortlich ist, sollen nun Folgestudien klären. Dafür wollen die Wissenschaftler die Aktivität des Locus coeruleus medikamentös beeinflussen und untersuchen, wie sich dies auf die Pupillendynamik auswirkt.

Diese Studien sollen auch klären, ob sich aus den Pupillenveränderungen im Schlaf Hinweise auf Störungen des Aktivierungssystems und der Schlafqualität ableiten lassen. Das Wissen könnte dann helfen, Schlafstörungen besser zu erkennen und zu behandeln. Auch andere Erkrankungen wie posttraumatische Belastungsstörungen oder Alzheimer, die oft mit Schlafstörungen einhergehen, könnten dann möglicherweise an den Pupillen erkannt werden, hofft das Team.

Damit die Pupille „als Fenster zum Gehirn“ der Medizin neue Möglichkeiten eröffnen kann, soll die Pflaster-Technik künftig auch in Krankenhäusern genutzt werden. (Nature Communications, 2025; doi: 10.1038/s41467-025-57289-5)

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)