Er gilt als verkanntes Genie und als einer der Pioniere des elektrischen Zeitalters: Nikola Tesla. Seine Ideen und Erfindungen schufen die Grundlage für das moderne Wechselstrom-Netz, für Elektromotoren, Neonröhren, Mikrowellenherde und das Radio. Sogar die Fernsteuerung geht auf eine Erfindung Teslas zurück. Doch den Ruhm ernteten andere.
Das Ende des 19. Jahrhunderts war eine Zeit des technischen Aufbruchs. In dieser Zeit wurden die ersten Stromnetze geschaffen, die Elektrizität machte plötzlich zuvor undenkbare „Wunderdinge“ möglich. Überall entwickelten Ingenieure und Erfinder neue Technologien und Geräte, die sich die Kräfte der elektromagnetischen Wellen zunutze machten.
Unter den Pionieren des elektrischen Zeitalters war Nikola Tesla einer der herausragendsten. Er war mit vielen seiner Erfindungen seiner Zeit weit voraus. Gleichzeitig prägte er wie kein anderer die Entwicklung von Schlüsseltechnologien der modernen Welt. Doch so visionär und produktiv Tesla auch war: Den dauerhaften Erfolg brachten ihm seine unzähligen Erfindungen und Patente nicht. Das Genie starb arm und vergessen. Aber warum?
Teslas erste bahnbrechende Erfindung. Rotierende Felder
Schon Nikola Teslas erster Geistesblitz hatte es in sich. Denn diese Erfindung sollte die Welt der Technik für immer verändern. Was der junge Ingenieur aus einem entlegenen Winkel des heutigen Kroatiens entwickelte, legte den Grundstein für unser heutiges Stromsystem, für Generatoren, Transformatoren und Elektromotoren.
Denkanstoß im Vorlesungssaal
Als Tesla im Jahr 1856 in Smiljan an der kroatischen Grenze des damaligen Österreich geboren wird, scheint sein Weg vorgezeichnet: Sein Vater ist ein orthodoxer Priester, der auch seinen Sohn gerne in einer geistlichen Laufbahn sehen will. Doch es kommt anders: Nikola entwickelt schon früh Interesse und Begabung für Mathematik und Naturwissenschaften und kann nach langem Ringen durchsetzen, dass er die Technische Hochschule in Graz besuchen darf.
Dort kommt es zu einem entscheidenden Erlebnis: Im Winter 1878 wird im Vorlesungsaal ein neuer Apparat installiert – eine Gramme-Maschine. Bei diesem Gleichstrom-Generator bewegt man mit einer Handkurbel einen ringförmig aufgewickelten Kupferdraht zwischen Permanentmagneten. Durch die Bewegung der Spule im elektromagnetischen Feld entsteht im Kupferring Strom. Dieser muss mit Schleifkontakten, meist kleinen Bürsten aus Graphit, abgenommen werden.
Lästiger Funkenflug
Das Problem dabei: An den Bürsten springen immer wieder Funken über. Für Tesla ist schnell klar: Das muss besser gehen. Denn die Funken sind nicht nur lästig und gefährlich, an den Bürsten gehen auch große Mengen an Energie verloren. „Ich beschloss, an einer Lösung zu arbeiten und ging diese Aufgabe mit dem ganzen Feuer und der grenzenlosen Zuversicht der Jugend an“, erinnert sich Tesla. „Von den technischen Schwierigkeiten ahnte ich da noch nichts.“
Bevor sich Tesla jedoch mit den Tücken der Technik auseinandersetzen kann, kommen ihm ganz praktische Probleme in die Quere. Weil er das Unterrichtsgeld nicht bezahlt und Prüfungen auslässt, wird er Ende 1877 exmatrikuliert. Er muss sich einen Job suchen, um einen Lebensunterhalt zu verdienen. Vorübergehend arbeitet er in Maribor als Maschinenbauer, dann als Aushilfslehrer in seinem Heimatort Gospic. 1882 bekommt er dann einen Posten als Telegrafenamtstechniker in Budapest und sammelt dort praktische Erfahrungen, die ihm später als Erfinder zugutekommen.
Geistesblitz im Stadtpark
Die entscheidende Idee für die Verbesserung des Gramme-Generators kommt Tesla bei einem abendlichen Spaziergang im Budapester Stadtpark. Während er der untergehenden Sonne zusieht, fällt ihm eine Passage aus Goethes Faust ein: „Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt, dort eilt sie hin und fördert neues Leben.“ Tesla schildert diesen Moment so: „Als ich noch die letzten Worte sprach, in Gedanken versunken, da kam mir die Idee wie ein Blitzschlag. In einem einzigen Moment sah ich sie voll entwickelt und perfekt vor mir.“
Tesla beginnt sofort, Diagramme in den Sand des Weges zu zeichnen – seinen ersten Entwurf für eine völlig neuartige Maschine, die nicht nur ohne Bürsten funktioniert, sondern auch Wechselstrom liefern oder aber nutzen kann.
Der Grundaufbau besteht aus einem äußeren Ring aus mehreren Kupferspulen, die als Elektromagnete fungieren. Innen liegt ein beweglich angebrachter Rotor mit Permanentmagneten.
Rotiert nun der Magnetrotor im Inneren der Maschine, erzeugt das rotierende magnetische Feld im Außenring durch Induktion elektrischen Strom. Dessen Richtung wechselt synchron zur Polung der jeweils vorbeirotierenden Innenmagnete.
Bahnbrechende Vorteile
Das Neue daran: Durch geschickte Verschaltung kann Tesla mit diesem Wechselstrom-Generator zwei phasenversetzte Ströme gleichzeitig produzieren. Das bedeutet, dass sich die Spannungswellen im Leiter zeitversetzt überlagern – und das eröffnet ganz neue Möglichkeiten der Stromübertragung, aber auch für Elektromotoren. Denn dieser Zweiphasen-Drehstrom bringt mehr Leistung, lässt sich weiter übertragen und kann zudem Elektromotoren sehr viel effektiver und ruhiger antreiben als bisherige Ansätze.
Erst das macht die ersten Wechselstrom-Elektromotoren von einer Laborkuriosität zu einer praktisch anwendbaren Technologie. „Es war ein ziemlich kruder Apparat, aber er brachte mir die tiefe Befriedigung, zum ersten Mal eine Rotation zu sehen, die ohne Bürsten und Funken durch Wechselstrom entsteht“, erinnert sich Tesla später. Innerhalb von nur zwei Jahren lässt er 20 Varianten dieses Motors patentieren.
Obwohl er später noch viele weitere Erfindungen machen wird, misst Tesla seinem „Erstling“ eine besondere Bedeutung zu: „Ich hatte immer das Glück, viele Ideen zu haben. Aber keine andere Erfindung, so großartig sie auch war, ist mir so lieb wie diese erste“, schreibt er 1915 in einem Artikel.
Gleichstrom oder Wechselstrom? Der Stromkrieg
Für uns ist es heute selbstverständlich: Der Strom, der aus unseren Steckdosen kommt, unsere Geräte antreibt und Lampen zum Leuchten bringt, ist Wechselstrom. Bei ihm ändert sich die Fließrichtung der Elektronen rund 50 Mal in der Sekunde. Auch in anderen Ländern weltweit ist heute der Wechselstrom Standard. Dass dies so ist, verdanken wir zum großen Teil Nikola Tesla und seinen Erfindungen.
Mit Glühlampe und Gleichstrom
In den 1880er Jahren ist die Elektrizität noch ein ganz neues Phänomen. Die ersten elektrischen Straßenlaternen existieren erst seit wenigen Jahren und auch nur in größeren Städten. In den meisten Gebäuden und Privathaushalten gibt es noch keinen Strom, Gaslampen sorgen für Licht. Erst mit der Erfindung der Kohlenfaden-Glühlampe durch Thomas Edison und den ersten von seiner Firma in den USA errichteten Kraftwerken ändert sich dies allmählich.
Doch es gibt ein Problem: Es herrscht keine Einigkeit über den technischen Standard der Elektrizitätsversorgung. Edison produziert und verkauft Gleichstrom der Spannung 110 Volt, die Abnehmer seiner Glühlampen bekommen dabei den Anschluss an sein Stromnetz gleich mit. Der große Nachteil dieser Technologie ist allerdings die geringe Übertragungsreichweite: Um seine Abnehmer zu versorgen, muss Edison überall Kraftwerke bauen – eine teure Angelegenheit. Außerdem lässt sich die Gleichspannung nicht ohne Weiteres transformieren. Benötigt eine Anlage eine abweichende Spannung, muss diese eigens erzeugt und über eine eigene Leitung geliefert werden.
Kampf der Systeme
Deshalb setzt Edisons Konkurrent Georges Westinghouse auf Wechselstrom – und auf Nikola Tesla. Dessen Mehrphasen-Generatoren liefern dem Unternehmer genau die Technologie, die er für sein Wechselstromnetz braucht. Zudem hat Tesla inzwischen weitere Patente eingereicht, in denen er auf seiner ersten Erfindung aufbauende Transformatoren und Übertragungstechnologien beschreibt. Westinghouse nutzt die Chance und kauft Tesla die Patentrechte im Jahr 1888 ab. Außerdem sichert er sich dessen Hilfe beim Ausbau seiner Stromnetze.
Als Westinghouse dann noch eine Glühlampenfabrik akquiriert und damit Edisons Monopol bricht, bricht ein erbitterter und mit allen Mitteln geführter Wirtschaftskrieg aus. Edison versucht durch Prozesse, Pressekampagnen und finanzielle Einflussnahme, die Ausbreitung des Wechselstroms um jeden Preis zu verhindern. „Edison erklärte allen, dass die Gleichspannung wie ein friedlich dahinströmender Fluss sei, während die Wechselspannung einem gefährlichen Sturzbach gleiche, der über eine Klippe stürzt“, erinnert sich Westinghouse später.
Noch rufschädigender für Westinghouse und Tesla ist die erste Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl. Edisons Kompagnon Harold Brown nutzt dafür einen Wechselstrom-Generator von Tesla und demonstriert so öffentlichkeitswirksam die Gefährlichkeit der konkurrierenden Stromtechnologie.
Der Wechselstrom setzt sich durch
Doch Edisons Bemühungen, den Wechselstrom zu diskreditieren, können nicht über dessen praktische Vorteile hinwegtäuschen. Im Jahr 1891 wird bei der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main erstmals eine leistungsstarke Fernübertragung von hochgespannten Drehstrom demonstriert – vom 176 Kilometer entfernten Kraftwerk in Lauffen am Neckar nach Frankfurt. In Deutschland stellt dies die Weichen für den Wechselstrom als Grundlage der Elektrizitätsversorgung.
In den USA landen Tesla und Westinghouse kurz darauf einen entscheidenden Coup: Sie bekommen den Zuschlag zur Stromversorgung der Weltausstellung in Chicago. Als sie am 1.Mai 1893 eröffnet wird, leuchten in der „City of Light“ tausende von Lampen – versorgt von zwölf leistungsstarken Wechselstrom-Generatoren nach Teslas Prinzip. Den rund 27 Millionen Besuchern wird so eindrücklich demonstriert, wie leistungsfähig und zukunftsträchtig diese Form der Elektrizität ist.
Das endgültige Ende für Edisons Gleichstrom bringt ein weiteres erfolgreiches Projekt von Tesla und Westinghouse: das Niagarafälle-Wasserkraftwerk. Nach fünf Jahren Entwicklungszeit geht das Werk am 16. November 1896 in Betrieb und liefert Wechselstrom in die nahe Stadt Buffalo, später auch bis nach New York. Der Stromkrieg ist damit vorbei: Selbst Edisons Netze stellen nun endgültig auf Wechselstrom um.
Ein Transformator revolutioniert die Elektrotechnik. Die Tesla-Spule
Mit dem Sieg im Stromkrieg und der Verbreitung der auf seinen Arbeiten basierenden Generatoren, Transformatoren und Netzbauteil ist Tesla auf dem Höhepunkt seines Ruhms angekommen. Doch der Erfinder tüftelt längst an einer neuen Herausforderung. Er will einen Transformator konstruieren, mit dem sich hochfrequente Hochspannung erzeugen lässt. Diese, so hofft er, könnte sich dann sogar drahtlos durch die Luft übertragen lassen.
Zwei Spulen und ein Kondensator
Das Problem dabei: Die bisherigen Wechselstrom-Generatoren können nicht schnell genug rotieren, um die gewünschten Frequenzen zu erzeugen. Mehr als 20 Kilohertz schaffen sie nicht. Tesla experimentiert daher mit einer neuen Art von Transformator. Dieser besteht aus zwei Drahtspulen mit unterschiedlich vielen Windungen: Der Primärkreis hat wenige weite Windungen und umschließt einen Sekundärkreis mit vielen engen Wicklungen. Beide sind durch einen Luftraum voneinander getrennt.
Den Ausgangsstrom liefert ein Kondensator, der über eine Funkenstrecke mit der Primärspule verbunden ist. Erreicht er die Überschlagsspannung, springt ein Funke über und überträgt die Energie auf den Primärkreis. Dieser lädt sich seinerseits auf und erzeugt ein kurzlebiges elektromagnetisches Feld. Weil der Kondensator sich parallel dazu wieder auflädt, beginnt dieser Zyklus immer wieder aufs Neue – ein Schwingkreis entsteht.
Hochgeschaukelt durch Resonanz
Der Clou dabei: Um die Frequenz der Spannung weiter zu erhöhen, nutzt Tesla das Prinzip der Resonanz. Dabei induziert das oszillierende Feld der Primärspule auch in der Sekundärspule einen Schwingkreis. Trifft das Feld dabei die Resonanzfrequenz der zweiten Spule, schaukelt sich das System von alleine hoch: Die Spannung steigt von Windung zu Windung, bis an der Spitze der Sekundärspule eine hochfrequente Hochspannung entsteht. Sie entlädt sich durch das bis heute bekannte Markenzeichen der Tesla-Spulen: ein ganzes Bündel von Blitzen.
Mit diesem Grundaufbau ist die Tesla-Spule geboren – Teslas bis heute bekannteste Erfindung. „Tesla war ein Mann, der verstand, was kaum ein anderer Wissenschaftler seiner Zeit begriffen hatte – die elektrische Resonanz“, erklärt der Physikhistoriker Jim Hardesty auf PBS. Die von Tesla erfundene Resonanz-Transformation ermöglicht nicht nur die Erzeugung hochfrequenter Hochspannung, durch sie wird auch gezielte Manipulation elektromagnetischer Wellen sehr viel einfacher.
Tesla, Marconi und ein Morse-„S“. Das erste Radio
Teslas Erfindung des Resonanz-Transformators wird zur Grundlage für einen weiteren Meilenstein der modernen Technik: das Radio und die drahtlose Kommunikation. Denn erst seine Resonanz-Schaltkreise ermöglichen es, elektromagnetische Wellen gezielt so manipulieren, dass ein Signal mit enger, frei justierbarer Frequenz entsteht. Damit schafft Tesla die Voraussetzung für eine effektive Funk-Kommunikation und die Senderwahl der Radios.
Bereits 1893 führt Tesla ein solches System öffentlich vor. Ein Tesla-Transformer ist dabei mit einer Antenne verbunden und erzeugt Radiowellen. Diese werden drahtlos quer durch den Raum zur Antenne eines Empfängers übertragen. In diesem sitzt ein weiterer Resonanz-Transformator, der die Radiowellen in eine Frequenz umwandelt, die eine Gasentladungslampe zum Leuchten bringt.
Marconi triumphiert
Im Prinzip hat Tesla damit die weltweit erste Radioübertragung demonstriert. Doch für ihn liegt das Potenzial seiner Erfindung nicht in der drahtlosen Kommunikation. Er sieht darin primär einen Weg, um drahtlos Energie zu übertragen – eine folgenschwere Fehleinschätzung. 1897 reicht Tesla für diese Vier-Schaltkreis-Technik ein Patent ein, das im Jahr 1900 erteilt wird. Tesla kommt damit dem bis heute als „Vater des Radios“ gefeierten Guglielmo Marconi um mehrere Jahre zuvor.
Doch das hilft Tesla wenig. Der geschäftstüchtige Marconi nutzt Teslas Transformator-Technik zwar in seinen Funkanlagen, verkauft sie aber als eigene Erfindung und reicht im April 1900 sogar ein Patent dafür ein. Das Patentamt lehnt dieses mit Verweis auf Teslas Patente zwar zunächst ab, ändert aber wenige Jahre später seine Meinung: Marconi bekommt 1904 das Patent für das erste Radio – zu Unrecht, wie heute klar ist.
Am 12.Dezember 1901 feiert Marconi seinen großen Triumph: Zum ersten Mal schickt er eine Radiobotschaft quer über den Atlantik. Er sendet per Morsecode den Buchstaben „S“ von einer Sendeanlage im britischen Cornwall bis nach Nordamerika. Wenig später folgt das erste längere Telegramm. Damit ist Marconi der Ruhm sicher. 1909 erhält er sogar den Nobelpreis. Tesla dagegen geht leer aus.
Tesla und seine „Wunderlampen“ „Magier“ des Lichts
So genial Tesla als Erfinder auch ist, und so bekannt ihn viele seiner technischen Neuerungen machen – von Dauer ist dieser Ruhm nicht. Gegenüber anderen Größen seiner Zeit gerät er immer wieder ins Hintertreffen. „Tesla war einer von nur fünf oder sechs Menschen, die das elektrische Zeitalter erschufen“, sagt Bernard Finn vom National Museum of American History. Dennoch geriet er in Vergessenheit, während andere Ruhm ernteten.
Licht aus dem Nichts
Das ist umso seltsamer, weil Tesla durchaus einen Sinn für Effekte und Marketing besitzt: Er weiß sich und seine Produkte bestens zu inszenieren, wie er immer wieder bei öffentlichen Vorträgen und Präsentationen beweist. Publikumswirksam lässt er dabei Blitze zucken, setzt sich selbst vermeintlich tödlichen Stromstößen aus oder präsentiert Phänomene, die an Magie zu grenzen scheinen.
So auch auf der Weltausstellung im Jahr 1893 in Chicago. Dort präsentiert Tesla dem staunenden Publikum seine neuesten Erfindungen – und macht eine echte Show daraus. Makellos gekleidet wie immer, tritt er vor das Publikum. In der Hand scheint er eine große, längliche Glühbirne zu halten. Dann geschieht das Unglaubliche: Tesla hebt die Hand und plötzlich beginnt die Lampe wie von Geisterhand zu leuchten – obwohl sie an kein Kabel angeschlossen ist.
„In welche Position ich die Lampe auch immer drehe, wohin ich sie auch bewege: Ihr sanftes, angenehmes Licht bleibt mit unverminderter Helligkeit bestehen“, erklärt Tesla. Wie kann das sein? Dem Publikum erscheint dies wie Zauberei und selbst technisch versierte Zeitgenossen geraten bei Teslas drahtlosen „Zauberlampen“ ins Staunen.
Angeregte Gasatome
Das Geheimnis ihres Leuchtens jedoch ist simple Technik. Denn bei den Lampen handelt es sich nicht um gewöhnliche Glühbirnen, sondern um einen Vorläufer unserer heutigen Leuchtstoffröhren. In ihnen befindet sich ein Gas, dessen Atome unter Hochspannung angeregt werden. Bei ihrer Entladung geben sie die zuvor aufgenommene Energie in Form von Licht wieder ab – das Gas beginnt zu leuchten.
Teslas Clou dabei: Er führt seinen Leuchtstoffröhren die nötige Hochspannung nicht durch Kabel zu, sondern durch die Luft. Mithilfe seiner Tesla-Spulen erzeugt er starke elektrische Felder, deren Polung mit hoher Frequenz wechselt. Im nahen Umfeld der Transformatoren sind diese Felder stark genug, um das Gas in einer Leuchtstofflampe anzuregen. Bei seinen Vorführungen nutzt Tesla diesen Effekt, um das Leuchten „aus dem Nichts“ hervorzubringen.
Für sein Publikum bei der Weltausstellung sind die drahtlosen Lampen ein Faszinosum. Tesla selbst allerdings verfolgt diese Technologie nicht konsequent weiter und bringt sie nie zur Marktreife. Stattdessen wendet sich der visionäre Erfinder einer weiteren, vielversprechenden Anwendung seiner drahtlosen Energieübertragung zu.
Das erste ferngesteuerte Boot der Welt. Bewegt wie von Geisterhand
Im Jahr 1898 präsentiert Nikola Tesla dem staunenden New Yorker Publikum eine weitere Erfindung: das erste ferngesteuerte Boot. Statt in trister Laborumgebung oder irgendwo auf einem trüben Tümpel stellt er seine Kreation an keinem geringeren Ort als dem Madison Square Garden vor – dem prestigeträchtigen Veranstaltungsort mitten in Manhattan.
Boot ohne Besatzung
Auf den ersten Blick scheint Teslas Erfindung wenig spektakulär: In einem Wasserbecken liegt ein gut 1,50 Meter langes Metallboot mit eher plumpen, tiefliegendem Rumpf. Hinten ist das Steuerruder zu erkennen, außerdem leuchten Positionslichter auf beiden Seiten. Das einzig auffallende Merkmal sind mehrere lange Antennen, die aus dem Bootsinneren aufragen.
Tesla ist nicht etwa an Bord seines Bootes, sondern steht entspannt am Beckenrand vor einer Art Kästchen. Dann geschieht etwas Seltsames: Das unbemannte Boot beginnt von selbst zu fahren, folgt einem Zickzackkurs durch das Becken, stoppt dann wieder und fährt sogar rückwärts. Die Zuschauer sind verblüfft. Schnell machen die fantastischsten Erklärungsversuche die Runde: Handelt es sich um Telepathie? Um Magie? Oder ist das Ganze nur ein billiger Trick und ein dressierter, im Bootsrumpf versteckter Affe steuert das Gefährt?
Radiowellen als Steuersignale
Tesla klärt die Menge auf: Das Boot wird von ihm gesteuert – mithilfe von unsichtbaren Radiowellen. Der Sender sitzt in dem kleinen Kasten, der vor dem Erfinder steht. Der Empfänger, ein von Tesla erfundenes Schaltelement, befindet sich auf dem Boot. Er besteht aus einem Kanister mit Metallpulver, das sich beim Empfang eines Radiosignale so ausrichtet, dass der Strom fließt. Kombiniert mit verschiedenen weiteren Schaltelementen kann Tesla so den Elektromotor steuern, der die Schiffsschraube antreibt. Auch die Positionslichter des Boots lassen sich per Radiosignal ansteuern.
Der Erfinder hofft, mit seinem ferngesteuerten Boot vor allem die Marine als Geldgeber zu gewinnen. Denn mit seiner Technologie könnten sich nicht nur Schiffe fernsteuern lassen, sondern auch Torpedos und andere Waffen, wie er den US-Militärs erklärt. Der Schriftsteller Mark Twain, ein guter Freund von Nikola Tesla, bietet sich sogar an, die Erfindung in Europa zu vermarkten. Er sieht vor allem in England und Deutschland durchaus Potenzial.
Zu visionär für seine Zeit
Doch Tesla ist – wieder einmal – seiner Zeit zu weit voraus. Der Marine ist das Ganze zu fremdartig, das Potenzial zu wenig greifbar. Sie lehnt eine Finanzierung weiterer Forschung in dieser Richtung ab. Es soll noch Jahrzehnte dauern, bis Teslas Prinzip der Fernsteuerung per Funk wieder aufgegriffen wird.
Heute gehören ferngesteuerte Drohnen, Fahrzeuge und Raketen längst zur Standard-Ausrüstung von Militärs weltweit. Und in unserem Alltag sind die vielen von „unsichtbaren Wellen“ gesteuerten Geräte nicht mehr wegzudenken. Den Siegeszug solcher ferngesteuerter „Automaten“ erlebt Tesla nicht mehr – er sieht ihn aber bereits voraus. 1921 schreibt er in einem Buch: „Eines Tages werden Teleautomaten produziert werden, die handeln können, als wenn sie von eigener Intelligenz beseelt wären. Ihr Aufkommen wird eine Revolution nach sich ziehen.“
Teslas „World Wireless System“. Der Traum von der drahtlosen Energie
Ob Generatoren, Tesla-Spulen, kabellose Lampen oder Radiowellensender – für Tesla sind all diese Erfindungen nur Mittel zum Zweck. Denn mit ihrer Hilfe will er seinen ganz großen Traum verwirklichen: ein weltweites Übertragungssystem, das den Strom ohne Kabel vom Kraftwerk bis in die Häuser bringt.
Nach Teslas Vorstellung sollen die Eigenschaften der höheren Atmosphärenschichten und des Erdbodens ein solches „World Wireless System“ möglich machen. „Seine praktische Umsetzung würde bedeuten, dass Energie an jedem Ort des Globus zur Nutzung durch den Menschen verfügbar wäre – und das nicht in geringen Mengen, sondern in nahezu unbegrenztem Maße.“ schreibt Tesla im Jahr 1900 in einem Artikel für das Century Magazine.
Ein Turm mit zuckenden Blitzen
Um diesem Ziel näher zu kommen, richtet sich Tesla ab Mai 1989 in Colorado Springs ein eigenes Labor mit mehreren Mitarbeitern ein. Hier konstruiert er – unter großer Geheimhaltung – eine gewaltige, 15 Meter dicke Tesla-Spule. Sie ist mit einer teleskopartig ausfahrbaren Antenne gekoppelt, die als zusätzliche Resonatorspule dient und knapp 50 Meter hoch ausgefahren werden kann.
Mit diesem Transformator-Turm hofft Tesla, Energie endlich auch über größere Entfernungen übertragen zu können. Seiner Ansicht nach ist dies nur eine Frage ausreichender Spannung und der richtigen Frequenzen – und denen glaubt er sich zu nähern. Neun Monate lang experimentiert Tesla mit seinem „Magnifying Tower“, wie er die Anlage nennt.
Mit ihr gelingt es dem Erfinder, Entladungen von mehreren Millionen Volt und mit Frequenzen von 50 bis 150 Kilohertz zu erzeugen. In einem weithin sichtbaren Schauspiel schießen Blitze dabei von der Kugel seines Transformator-Turms bis zu 40 Meter weit durch die Luft, das Knattern der Entladungen ist weithin zu hören. An einem Abend saugt Teslas Anlage so viel Strom aus dem kommunalen Netz, dass es überlastet. Weil dabei ein Generator durchbrennt, versinkt die gesamte Stadt El Paso im Dunkeln – Stromausfall.
Ein Weltsystem der Telekommunikation
Teslas Blitze – und mehrere öffentlichkeitswirksame Artikel und Fotografien – ziehen die Aufmerksamkeit eines potenziellen Investors auf sich: des Bankiers J.P.Morgan. Nachdem Tesla das Geld für sein Labor in Colorado Springs ausgeht, schlägt er Morgan Anfang 1901 ein neues Projekt vor: Er will an der Küste eine Anlage bauen, die den Grundbaustein für ein weltweites Telekommunikations-Netz darstellt.
Mit diesem System, so verspricht Tesla, könnten dann eines Tages Nachrichten, Musik, private Botschaften, militärische Befehle und sogar Bilder in jeden Teil der Welt gesendet werden. Morgan erscheint dies – zu Recht – zukunftsträchtig und er investiert 150.000 US-Dollar. Was der Bankier nicht weiß: Tesla geht es erst in zweiter Linie um die Telekommunikation. Er hofft, mit der Anlage endlich den Durchbruch bei der drahtlosen Fernübertragung von Energie zu schaffen.
Der Wardenclyffe Tower
Der „Wardenclyffe Tower“ wird eine noch größere Version der Blitzanlage von Colorado Springs. Der Transformator-Turm ragt 57 Meter hoch auf und wird von einer gut 20 Meter großen Metallkuppel gekrönt. Ein 400 PS-Generator soll die nötige Leistung für die Tesla-Spulen liefern. Unter der Anlage führt eine Bohrung 36 Meter in die Tiefe, sechs Eisenrohre werden durch sie bis in 100 Meter Tiefe gerammt. Sie sollen die Leitung der Energie durch die Erde ermöglichen.
Doch dazu kommt es nicht mehr: Nachdem Marconi im Dezember 1901 seine erste Radiobotschaft über den Atlantik sendet, steigt J.P. Morgan aus. Gleichzeitig kommt es zu einem Börsen-Crash und die Preise für Baumaterial steigen drastisch. Für Tesla bedeutet dies das Ende seines Traums. Ohne Geld und Unterstützung muss er seine unvollendete Anlage aufgeben. 1917 wird der Wardenclyffe Tower abgerissen.
Warum Teslas Erbe fast vergessen ist. Verkanntes Genie
Gedemütigt und mittellos muss Tesla Anfang des 20. Jahrhunderts mit ansehen, wie seine Konkurrenten – teilweise auf Basis seiner Erfindungen – reich und berühmt werden, während er selbst immer mehr in Vergessenheit gerät. Trotz seiner vielen Errungenschaften und Verdienste hat er es nie geschafft, sich zu etablieren und dauerhaft Profit aus seinem Werk zu schlagen. Er stirbt im Januar 1943 mit 86 Jahren allein und weitgehend vergessen in New York.
Seiner Zeit zu weit voraus
Aber warum? Diese Frage beschäftigt Historiker bis heute. Ein Aspekt ist sicher die Fortschrittlichkeit seiner Visionen: „Er war seiner Zeit so weit voraus, ein solcher Visionär, dass die Wissenschaftler seiner Zeit schlicht nicht verstanden, was er da tat“, erklärt die Tesla-Biografin Margaret Cheney in einem Interview mit PBS. Weder die Fernsteuerung, noch seine Hypothesen über die Rolle der Ionosphäre für die Reflexion und Übertragung von Radiowellen wurden damals verstanden oder beachtet. Heute bildet vor allem Letzteres die Basis für unser Telekommunikationssystem.
Ein weiteres Beispiel ist eine Idee Teslas, die er zu Beginn des Ersten Weltkriegs beschrieb – und mit der er ebenfalls seiner Zeit voraus war: Er erdachte ein System, bei dem man hochfrequente Radiowellen zum Aufspüren von Schiffen auf See nutzen kann. Die Wellen würden von den Schiffsrümpfen reflektiert, aufgefangen und auf fluoreszierenden Bildschirmen als Signal erscheinen. Im Prinzip ist dies die erste Beschreibung des Radars – Jahrzehnte bevor es erstmals umgesetzt werden sollte.
Visualisiert, aber nicht dokumentiert
Ein weiterer Grund dafür, dass Tesla schnell in Vergessenheit geriet, war vermutlich seine Arbeitsweise: „Tesla besaß eine enorme Fähigkeit, Dinge zu visualisieren“, sagt Cheney. Wie er bei seinem Geistesblitz für den Drehstrom-Generator schilderte, sah er neue Geräte oder Technologien bereits erstaunlich klar vor seinem inneren Auge. Dadurch aber machte er wenig detaillierte, nachvollziehbare Aufzeichnungen und Berechnungen.
„Im Gegensatz zu Einstein gehörte er zu den Genies, die Dinge zwar visualisieren, aber Probleme damit haben, sie in Zahlen zu fassen und zu Papier zu bringen“, sagt Dennis Papadopoulos von der University of Maryland. Seiner Ansicht nach erschwerte dies nicht nur Zeitgenossen, Teslas Ideen nachzuvollziehen, sie verhinderten auch, dass Tesla selbst Fehler in seinen Gedankengängen erkannte.
Folgenschwere Fehleinschätzung
Ein Beispiel dafür ist Teslas lebenslanger Traum von der drahtlosen Energieübertragung. „Es ist nicht nur ein Traum. Es ist eine einfache Errungenschaft elektrischer Ingenieurskunst – nur eben sehr teuer …blinde, kleinmütige, zweifelnde Welt“, schreibt er nach dem erzwungenen Ende seines Wardenclyffe Towers. Tesla ist sich sicher, dass nur die Umstände die Umsetzung seines World Wireless Systems verhindert haben.
„Aber hätte er das auf dem Papier durchgerechnet, dann wäre ihm klargeworden, dass man auf diese Weise zwar Energie übertragen kann, aber nicht sehr viel“, erklärt Papadopoulos. „Es reicht für Radio, Fernsehen oder Telefon, aber wenn man so das Licht anschalten will, braucht man mehr Leistung.“ Und diese lässt sich über die Luft nur mit sehr begrenzter Reichweite übertragen.
„In jeder Hinsicht ungewöhnlich“
Nicht zuletzt trugen jedoch auch Teslas Eigenheiten und sein wenig ausgeprägter Geschäftssinn dazu bei, dass er kein erfolgreicher Unternehmer wurde wie viele andere seiner Erfinderkollegen. „Er kam nicht gut mit anderen zurecht und arbeitete am liebsten allein oder nur mit einem Assistenten, dem er die Aufgaben vorgab“, sagt Bernard Finn vom National Museum of American History.
Tesla lehnte es zudem ab, längere Zeit für Universitäten oder Unternehmen zu arbeiten und zog es vor, stattdessen selbst Firmen zu gründen und eigene Labore einzurichten – was ihn mehrfach in den Ruin trieb. Trotz seines enormen Talents für effektvolle Präsentationen lag Tesla die finanzielle Seite seiner Arbeit nicht sonderlich. Er pflegte zwar einen teuren Lebensstil, schlug aber andererseits lukrative Verträge aus und verzichtete beispielsweise auf seinen Anteil am Niagarafälle-Projekt – weil sein Kompagnon George Westinghouse finanzielle Schwierigkeiten hatte.
„Tesla war speziell, einzigartig und in jeder Hinsicht ungewöhnlich“, so das Fazit von Finn.